16.03.2022 20:53:38
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GESAMT-ROUNDUP 2: Kämpfe und Kompromiss - Gericht: Moskau muss Krieg stoppen
KIEW/MOSKAU/WASHINGTON (dpa-AFX) - Knapp drei Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine werden die Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau über ein Kriegsende konkreter. Die Kämpfe gehen dennoch unvermindert weiter, für Angriffe auf Hunderte Zivilisten in einem Theater in der Hafenstadt Mariupol machten sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich. Der Internationale Gerichtshof ordnete am Mittwoch nach Klage der Ukraine an, dass Russland sofort die Angriffe im Nachbarland beenden muss. Die Nato will als Konsequenz aus dem Krieg ihre Ostflanke stärken.
Schon bald Treffen zwischen Selenskyj und Putin?
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sagte am Mittwoch dem US-Sender PBS, es würden Dokumente ausgearbeitet, die Staatschef Wolodymyr Selenskyj und der russische Präsident Wladimir Putin dann vereinbaren und unterzeichnen können. "Der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, sind direkte Gespräche der beiden Präsidenten. "Das könnte schon bald passieren."
Die Zeitung "Financial Times" berichtete von einem 15-Punkte-Plan, an dem beide Seiten arbeiteten. Podoljak betonte aber auf Telegram, dieser gebe nur die russischen Forderungen wider. Der Zeitung zufolge wird über einen neutralen Status für die Ukraine verhandelt, sie soll eine eigene Armee behalten. Staaten wie die USA, Großbritannien und die Türkei sollen zusätzlich die ukrainische Sicherheit garantieren. Das fragliche Papier soll schon einige Tage alt sein.
Selenskyj hatte bereits in der Nacht zu Mittwoch erklärt, die Verhandlungspositionen hörten sich realistischer an. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach am Mittwoch beim Sender der russischen Zeitung "RBK" von einer "gewissen Hoffnung, einen Kompromiss zu erzielen." Es gebe konkrete Formulierungen, "die meiner Meinung nach kurz vor der Einigung stehen". Aussichten für ein Treffen Putins mit Selenskyj dämpfte Lawrow aber.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich zurückhaltend. Es sei zwar wichtig, dass es jetzt diese Kontakte gebe. "Aber auch hier müssen wir für uns selber ehrlich sein: Wir wissen nicht, ob das wirklich Gespräche sind", sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag. Sie betonte: "Ein Diktatfrieden hat wenig mit Frieden zu tun." Wenn man über Friedensgespräche rede und zeitgleich Krankenhäuser und Wohngebäude bombardiere, "dann geht es wohl nicht wirklich um Gespräche."
Gegenseitige Schuldzuweisungen für Angriff auf Theater
Für einen vermeintlichen Angriff auf Hunderte Zivilisten in einem Theater in Mariupol gaben sich Kiew und Moskau gegenseitig die Schuld. Russische Soldaten hätten am Mittwoch keine Luftangriffe gegen Bodenziele in Mariupol ausgeführt, teilte das russische Verteidigungsministerium der Agentur Interfax zufolge mit. "Nach verfügbaren zuverlässigen Daten" hätte das ukrainische nationalistische Regiment Asow das zuvor bereits verminte Theatergebäude attackiert, hieß es.
Zuvor hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba Russland "ein weiteres entsetzliches Kriegsverbrechen in Mariupol" vorgeworfen. "Heftiger russischer Angriff auf das Drama-Theater, wo sich Hunderte unschuldiger Zivilisten versteckt haben", schrieb er auf Twitter. Das Gebäude sei vollständig zerstört. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Auch Angaben zu Opfern lagen zunächst nicht vor.
Selenskyj und Biden attackieren Putin
Öffentlich ließen Selenskyj und Putin keine Kompromisssignale erkennen. "Russland hat den ukrainischen Himmel zur Quelle des Todes für Tausende Menschen gemacht." (...) "Das ist ein Terror wie ihn Europa seit 80 Jahren nicht mehr erlebt hat", sagte der ukrainische Präsident in einer Rede per Videolink vor beiden Kammern des US-Kongresses. Selenskyj forderte mehr militärische Unterstützung, neue Sanktionen gegen Russland und erneut die Einrichtung einer Flugverbotszone.
US-Präsident Joe Biden kündigte weitere Waffenlieferungen und Militärhilfen für die Ukraine in Höhe von 800 Millionen Dollar an. "Amerika steht zu den Kräften der Freiheit", sagte der Präsident. Biden attackierte zugleich Putin scharf. "Putin richtet in der Ukraine entsetzliche, entsetzliche Verwüstungen und Schrecken an und bombardiert Wohnhäuser, Entbindungsstationen und Krankenhäuser", sagte der US-Präsident.
Putin: Werden Ukraine nicht besetzen
Nach den Worten Putins drängen die "westlichen Schutzherren" die Ukraine zur Fortsetzung des Blutvergießens. Sie lieferten Waffen, Informationen und schickten Söldner in das Nachbarland, sagte er in Moskau. Russland werde nicht zulassen, dass die Ukraine zum "Aufmarschgebiet einer Aggression gegen Russland" werde. Putin versicherte, russische Truppen nahe Kiew oder in der Nähe anderer Städte bedeuteten nicht, dass sie die Ukraine besetzen wollten. "Ein solches Ziel haben wir nicht."
Dem Kreml geht es nach eigenen Angaben um "Demilitarisierung" und "Denazifizierung" sowie einen neutralen Status der Ukraine. Auch fordert Moskau die Anerkennung der 2014 annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Territorium und eine Souveränität der Separatistengebiete Luhansk und Donezk in ihren administrativen Grenzen. Die Ukraine will ihrerseits einen sofortigen Abzug russischer Truppen und einen Waffenstillstand erreichen. Kiew zeigte sich bereit, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten, verlangt dafür aber Sicherheitsgarantien von anderen Ländern.
Dauerhafte Folgen für die Nato
In Brüssel berieten die Nato-Verteidigungsminister über Russlands Invasion in die Ukraine. Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, dies werde dauerhafte Konsequenzen für das Verteidigungsbündnis haben. Stoltenberg zufolge beauftragten die Minister die Nato-Militärführung damit, Optionen für die Verstärkung der Abschreckung und Verteidigung gegen Russland zu entwickeln. Ziel sei eine Entscheidung beim Nato-Gipfel Ende Juni in Madrid.
Stoltenberg unterbreitete den Nato-Partnern zugleich brisante Vorschläge zur dauerhaften Verstärkung der Ostflanke. Wie mehrere Diplomaten der dpa bestätigten, würden die Pläne aus russischer Sicht vermutlich gegen die Nato-Russland-Grundakte von 1997 verstoßen. Darin hat sich die Nato unter anderem verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung "substanzieller Kampftruppen" im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten. Details zu den als geheim eingestuften Vorschlägen wurden nicht genannt.
Ukraine obsiegt vor dem höchsten UN-Gericht
Der Internationale Gerichtshof ordnete am Mittwoch an, dass Russland die militärische Gewalt sofort beenden müsse. Das höchste UN-Gericht gab damit einer Klage der Ukraine statt. Russland blieb der Verlesung der Entscheidung in Den Haag fern. Der Richterspruch ist bindend, Experten bezweifeln aber, dass Moskau sich daran halten wird. Das Gericht besitzt keine Machtmittel zur Umsetzung seiner Entscheidungen. Selenskyj wertete das Votum als "vollständigen Sieg über Russland" und forderte die Umsetzung durch Moskau. "Das Urteil zu ignorieren, bedeutet für Russland noch größere Isolation."/shy/DP/jha
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