21.05.2015 20:27:38
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Frankfurter Neue Presse: zum Tarifkonflikt der Bahn "Bahn vertagt Lokführer-Streik nur" Kommentar von Panagiotis Koutoumanos
Zu befürchten ist, dass der Lokführer-Streik nur vertagt worden ist. Denn wie die gestrigen Ausführungen des knarzigen Bahn-Vorstands Weber und des beredten Gewerkschaftsführers Weselsky zeigen, hat bei beiden kein Sinneswandel stattgefunden, bleibt der Grundkonflikt in den Verhandlungen bestehen: Die GdL besteht weiterhin darauf, nicht nur für ihre Lokführer, sondern auch für das restliche Zugpersonal eigenständige Tarifverträge abzuschließen - und zwar völlig unabhängig von denen, die die große Konkurrenzgewerkschaft EVG aushandelt. Die Bahn lehnt jedoch weiterhin kategorisch unterschiedliche Tarifverträge für dieselbe Berufsgruppe ab - genauso wie die als bräsig-brave verschriene EVG, die nun auch für ihre Lokführer verhandeln will.
Der gordische Tarif-Knoten aus Tarif-Pluralität einerseits und Tarifeinheit andererseits bleibt also bestehen. Und weil dieser dicke Knoten - da hat Weselsky Recht - nicht Gegenstand einer Schlichtung sein kann, wird er nun ausgespart. Stattdessen verlegen beide Tarifparteien nun ihre Bemühungen darauf, über den Abbau von Überstunden, Wochenarbeitszeit, Schichtfolgen und Gehaltserhöhungen zu verhandeln - also Themen traditioneller Tarif-Auseinandersetzungen, die relativ leicht abzuarbeiten sind. Die Hilfe externer Schlichter ist hier eigentlich "nur" von Nöten, um zwei Parteien, die sich völlig entfremdet haben, überhaupt wieder an einen Tisch zu bringen.
Wie soll es aber weitergehen, nachdem sich Bahn und GdL in diesen klassischen Tarif-Themen geeinigt haben? Wie dann mit der Grundsatzfrage umgehen, ob es im Bahn-Konzern zwei unterschiedliche Tarifverträge geben kann und geben darf? Setzt der Konzernvorstand tatsächlich darauf, dass die tariflichen Regelungen, auf die er sich mit der GdL verständigt, weitestgehend identisch sind mit den Vereinbarungen, die er mit der EVG trifft, so dass sich diese Grundsatzfrage von selbst löst? So blauäugig kann das Management nicht sein.
Statt die Lösung des Kernproblems einfach zu vertagen und auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, sollte der Bahn-Vorstand seine Ablehnung gegen unterschiedliche Tarifverträge aufgeben. Denn Tarif-Pluralität ist sehr wohl möglich - nicht nur juristisch. Das zeigt schon die Tatsache, dass rund 4000 der insgesamt 20 000 Lokführer Beamte sind, die nach anderen Tarif-Bestimmungen arbeiten als ihre angestellten Kollegen. Und das zeigt auch die Tarifflucht vieler Konzerne, die eigene Billig-Töchter gründen, Leiharbeiter einstellen oder zu Werkverträgen greifen, so dass dort für die gleiche Arbeit unterschiedliche Tarifverträge gelten. Warum soll eine vom Arbeitgeber geschaffene Tarif-Pluralität legitim und praktikabel sein, eine von Gewerkschaften angestoßene Pluralität aber nicht? Diese Frage hat bislang auch der Bahn-Vorstand nicht schlüssig beantworten können.
Aber sich erfolgreich darum drücken können wird das Management nur, wenn sich GdL und EVG doch noch zur Kooperation durchringen. Dass dies zumindest für diese Tarifrunde sehr unwahrscheinlich erscheint, ist der Bundesregierung zuzuschreiben: Mit ihrem geplanten Gesetz zur Tarifeinheit verletzt sie nicht nur schamlos die Tarifautonomie, sondern hemmt dabei den Wettbewerb zwischen den beiden Gewerkschaften an, weil künftig bei konkurrierenden Tarifverträgen nur noch der Abschluss der Gewerkschaft gelten soll, die in einem "Betrieb" die meisten Mitglieder auf sich vereint. Streiks der kleineren Arbeitnehmer-Vertretung würden dann als unverhältnismäßig gelten und verboten werden. Da kann es doch nicht verwundern, dass EVG und GdL versuchen, in diesem Tarifkonflikt einen besseren Abschluss zu erzielen als die Konkurrenz-Gewerkschaft, um in möglichst vielen der rund 300 Bahn-Betriebe die Mehrheit zu gewinnen, bevor dieses Gesetz in Kraft tritt.
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Pressekontakt: Frankfurter Neue Presse Chef vom Dienst Peter Schmitt Telefon: 069-7501 4407
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