05.06.2009 07:51:00

EZB-Leitzinsen könnten auf absehbare Zeit stabil bleiben

(Wiederholung vom Vortag) FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) ist offenbar mit dem gegenwärtigen geldpolitischen Kurs zufrieden. Die aktuellen Leitzinsen seien "angemessen", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag nach dem Treffen des 22-köpfigen geldpolitischen Gremiums der Notenbank in Frankfurt. Gleichzeitig kündigte die EZB - anders als im Mai - keine neuen "unkonventionellen" Maßnahmen an. Trichet ließ für die Leitzinsen allerdings eine Hintertür offen: Das Leitzinsniveau von 1,00% stelle keinen Boden dar, sagte er.

   Kurz zuvor hatte die EZB ihre Zinsen wie erwartet bestätigt. Damit blieb der Hauptrefinanzierungssatz bei 1,00%, der Einlagen- und der Spitzenrefinanzierungssatz blieben bei 0,25% bzw. 1,75%. Vor einem Monat hatte die Notenbank den Hauptrefinanzierungssatz um 25 Basispunkte und den Spitzenrefinanzierungssatz um 50 Basispunkte gesenkt, während der Einlagensatz stabil gehalten wurde.

   Nach Einschätzung der meisten Beobachter hat die EZB das Ende im gegenwärtigen Zinssenkungszyklus erreicht. "Die zuletzt deutlich gestiegenen Frühindikatoren dürften die Zinssenkungsdiskussionen bald verstummen lassen", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg meinte, dass die EZB beabsichtige, "bis weit ins kommende Jahr die Leitzinsen auf dem aktuellen Niveau zu belassen". Erik Nielsen von Goldman Sachs wollte hingegen eine weitere Zinssenkung nicht ausschließen.

   Hinsichtlich der Entscheidung der EZB, die Leitzinsen nicht zu verändern, verwies Trichet auch auf den sich verlangsamenden wirtschaftlichen Abschwung. Dabei sei für das kommende Jahr ein allmählicher Konjunkturaufschwung zu erwarten, ab Mitte 2010 werde die Wirtschaft der Eurozone wieder wachsen.

   Vor diesem Hintergrund präsentierte Trichet die neuen EZB-Projektionen für das Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone. Demnach rechnet die EZB nunmehr für das laufende Jahr mit einem BIP-Rückgang zwischen 5,1% und 4,1%. Die Projektion vom März - minus 3,2% bis minus 2,2% - wurde damit deutlich nach unten korrigiert. Auch für das kommende Jahr ist die Notenbank skeptischer: Hier wird jetzt schlechtestenfalls ein BIP-Rückgang um 1,0% erwartet, bestenfalls ein Wachstum von 0,4% (zuvor: minus 0,7% bis plus 0,7%).

   Trichet sagte, dass die Risiken für den Wirtschaftsausblick weiter ausgewogen seien. Abwärtsrisiken gingen von der Finanzkrise, unerwartet schlechten Entwicklungen am Arbeitsmarkt und einer ungeordneten Abwicklung der globalen Ungleichgewichte aus. Ein wesentliches Aufwärtsrisiko sei hingegen, dass die Effekte der expansiven Geld- und Fiskalpolitiken stärker als erwartet ausfallen könnten.

   Geringfügig fielen die Korrekturen der EZB-Inflationsprojektionen aus. Hier rechnet die EZB jetzt für 2009 mit einer durchschnittlichen Jahresteuerung zwischen 0,1% und 0,5% (zuvor: 0,1% bis 0,7%), wobei Trichet darauf verwies, dass die Teuerung in den kommenden Monaten negative Raten aufweisen dürfte. Er begründete dies vor allem mit Basiseffekten seitens der Energiepreisentwicklung. Für 2010 sieht die EZB dann ein Anziehen der Inflation auf 0,6% bis 1,4%, womit die März-Projektion bestätigt wurde. Auch für den Inflationsausblick sprach Trichet von weitgehend ausgewogenen Risiken.

   Angesichts dieser Schätzungen erklärte er, dass Preisstabilität auf mittlere Sicht weiterhin gewährleistet sei. Zudem stünden die Inflationserwartungen im Einklang mit der Preisstabilitätsnorm der Notenbank. Die EZB sieht stabile Preise bei einer Inflationsrate von knapp 2%.

   Der EZB-Präsident präsentierte zudem erste Details zu den von der Notenbank geplanten Käufen von gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bonds) im Volumen von 60 Mrd EUR. Demnach wird die EZB Covered Bonds, zu denen auch Pfandbriefe gehören, direkt am Primär- und Sekundärmarkt erwerben. Nachgefragt werden sollen Papiere mit drei- bis zehnjähriger Laufzeit. Die Papiere können auf Forderungen gegen private wie auch gegen öffentliche Schuldner basieren, ihre Besicherung muss im Einklang mit den EZB-Regeln stehen.

   Dabei können alle Institute, die auch sonst an EZB-Operationen teilnehmen, solche Anleihen der Notenbank anbieten. Die EZB wird mit den entsprechenden Käufen im Juli beginnen, auslaufen wird das Programm im Juni 2010. Einen Kommentar zu einer möglichen Ausweitung des Programms lehnte Trichet ab.

   Er betonte, dass der Ankauf der Anleihen das Preisstabilitätsmandat der EZB nicht unterminiere. In diesem Zusammenhang nahm er Bundeskanzlerin Angela Merkel, die aufgrund solcher Maßnahmen Zweifel an der Unabhängigkeit der EZB geäußert hatte, gegen kritische Stimmen in Schutz. Er habe mit Merkel gesprochen, sagte Trichet und deutete an, dass sie voll hinter der Notenbank stehe. Dennoch unterstrich der EZB-Chef nochmals die Notwendigkeit eines zeitigen und energischen Ausstiegs aus der gegenwärtig sehr expansiven Geldpolitik.

   Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer zeigte sich überrascht davon, dass die EZB auch solche Anleihen kauft, die mit Krediten an öffentliche Haushalte unterlegt sind. "Offensichtlich ist die EZB zu sehr ungewöhnlichen Maßnahmen bereit, um das Restrisiko einer Unterversorgung mit Geld zu minimieren", sagte er. "Inwiefern der Ankauf öffentlicher Pfandbriefe ein erster Verstoß gegen den Geist des EU-Vertrages ist, wird die Zukunft zeigen", betonte hingegen LBBW-Experte Niklasch. Kurzfristig sehe er dabei nicht die Gefahr, dass sich am Markt die Ansicht durchsetzen könnte, künftig würden die öffentlichen Defizite "mit der Notenpresse" finanziert.

-Von Peter Trautmann, Dow Jones Newswires, +49 (0) 69/297 25-313 peter.trautmann@dowjones.com DJG/ptt/apo Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de (END) Dow Jones Newswires

   June 05, 2009 01:19 ET (05:19 GMT)

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