07.11.2013 16:55:31
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Draghi hat noch einige Pfeile im Köcher
Von Christian Grimm
EZB-Präsident Mario Draghi sieht die Mittel der Europäischen Zentralbank (EZB) noch nicht ausgeschöpft, wenn es um die Überwindung der Wirtschaftskrise geht. Auch wenn der Leitzins langsam ausgeschöpft sei, habe die EZB noch viele Instrumente im Koffer, sagte Draghi bei der Pressekonferenz nach der Zinsentscheidung. Zuvor hatten er und seine Kollegen im EZB-Rat überraschend entschieden, den geldpolitischen Schlüsselsatz um 25 Basispunkte auf 0,25 Prozent herunterzunehmen. Damit steht die Zentralbank nur noch einen Tick davor, den Banken Geld zum Nulltarif zu leihen.
Draghi erneuerte sein Versprechen, der Wirtschaft für längere Zeit mit billigem Geld zu versorgen. Die Banken werden bis Mitte übernächsten Jahres so viel Geld von der Notenbank beziehen können, wie sie verlangen. Aber ehe die EZB bei ihren Refinanzierungsgeschäften ganz auf Zinsen verzichtet, könnte sie noch andere Pfeile abfeuern, um die Erholung zu stützen.
"Dazu zählen zum Beispiel ein weiterer Dreijahrestender, die dicke Bertha, und die Aussetzung der Mindestreservepflicht. Es wird davon abhängen, wie es den Banken geht", sagte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. Draghi versicherte außerdem, dass sein Haus für einen negativen Einlagenzinssatz technisch bereit sei. Banken müssten dann einen Aufschlag dafür zahlen, dass sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken.
Applaus für die Lockerung der Zinsschraube bekam Mario Draghi aus seinem Heimatland. "Das sind sehr gute Nachrichten. Es wird dabei helfen eine Überbewertung des Euro zum US-Dollar zu verhindern", sagte der italienische Ministerpräsident Enrico Letta. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone wird auch dieses Jahr schrumpfen und erst 2014 zu Wachstum zurückkehren.
Auch der französische Finanzminister Pierre Moscovici lobte per Twitter den Beschluss. Der EZB-Chef bereitete den Süden Europas darauf vor, dass ein echter Aufschwung nicht bevor steht und die Erholung weiter steinig bleiben wird.
Der Chefvolkswirt der bundeseigenen Förderbank KfW, Jörg Zeuner, "begrüßte" die Zinssenkung ebenso. "Dies ist die richtige Reaktion auf die zu niedrige Inflation im Euroraum", erklärte er. Ein schwaches oder gar stagnierendes Nominalwachstum in den Krisenländern der Eurozone mache es für die Regierungen zunehmend schwer, die Schulden zu tragen. "Auch mit Blick auf den Wechselkurs und die immer noch fragile Konjunkturlage im Euroraum ist eine weitere geldpolitische Stimulierung angemessen", erklärte Zeuner.
Kritik kam hingegen von den deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Die Zinssenkung sei nicht notwendig, hieß es in der Stellungnahme ihres Bundesverbandes BVR zur Entscheidung in Frankfurt. "Es ist zweifelhaft, ob die erneute Zinssenkung der EZB in den angeschlagenen Volkswirtschaften des Euroraums zu einer spürbaren Verbesserung führt, sagte Andreas Martin aus dem Vorstand des BVR. Unter den niedrigen Zinsen leiden vor allem die Sparer, weil sichere Geldanlagen kaum mehr Rendite bringen.
Draghi begründete den Beschluss zur Zinssenkung mit der niedrigen Inflation im Euroraum. "Es gibt aktuelle Anzeichen dafür, dass der grundlegende mittelfristige Preisdruck im Euroraum sinkt, und das von einem niedrigem Niveau von unter 1 Prozent aus", erklärte er. Eine Deflation im Sinne eines sich selbst verstärkenden breiten Preisrückgangs schloss der EZB-Präsident aber aus.
Der Eurozone droht aus seiner Sicht auch keine japanische Lähmung, also schwaches Wachstum gepaart mit fallenden Preisen, die das ostasiatische Land 15 Jahre fest umklammert hielt. "Die heutige Entscheidung kann auch als eine Art Versicherung gegen das hypothetische Risiko (einer Deflation) gesehen werden, sagte Holger Schmieding von der Berenberg Bank.
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(Mitarbeit Hans Bentzien)
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November 07, 2013 10:22 ET (15:22 GMT)
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