06.12.2013 19:14:58

DER STANDARD - Kommentar: "Spielen mit Madibas Erbe" von Christoph Prantner

"Der ANC und Präsident Zuma gefährden das Versöhnungswerk Nelson Mandelas" (Ausgabe vom 7.12.2013)

Wien (ots) - Zukunft braucht Herkunft, sagen weise Geister. Und Herkunft, die brauche Erinnerung - an die Zeiten, in denen es Südafrika nicht so gut ging wie in diesen Tagen. Zeiten, in denen schwarze Kinder auf offener Straße zu Hunderten von weißen Milizionären umgebracht wurden, weil sie sich weigerten, in der Schule Afrikaans zu lernen. Zeiten, in denen es ausreichte, für die gerechte Sache, für Gleichbehandlung und Freiheit ein?zutreten, um auf Jahrzehnte hinter Gittern zu landen. Diese Zeiten sind vorbei. Nelson Mandela, der am Donnerstag am Ende seines langen Wegs zur Freiheit angekommen ist, hat sie der Geschichte überantwortet. Durch entwaffnende Humanität, durch den Sinn des weisen Staatsmannes für das Nötige und die Einsicht des Pragmatikers in das Mögliche. In großer Geste hat er seine Faust für ein neues Südafrika in den Himmel gestreckt, in kleinen Schritten an Vergebung und Versöhnung gearbeitet. Dieser Prozess stand Anfang der 1990er-Jahre mehrfach auf des Messers Schneide. Mandela, Frederik Willem de Klerk und ihre Chefverhandler Roelf Meyer und Cyril Ramaphosa haben ihn nicht nur in Gang ?gehalten, sie haben daraus einen der größten politischen Erfolge gemacht, die die Welt je gesehen hat. Deswegen liegen einander heute schwarze und weiße Südafrikaner in den Armen und trauern um "Madiba". Das ist das Erbe, das Nelson Mandela der Welt und vor allem seinen Landsleuten hinterlassen hat - ein Erbe, das seine Nachfolger leichtfertig zu verspielen drohen. Ich kann den Rauch riechen, das Feuer rückt näher", sagte ein junger schwarzer Südafrikaner dem Autor dieser Zeilen vor wenigen Monaten bei einem Besuch in Soweto. Die Jungen in Südafrika - schwarze wie weiße - sind unzufrieden mit der Politik des African National Congress, Mandelas politischer Heimat. 62 Prozent sagten in einer Umfrage der Wochenzeitung Mail & Guardian, dass der derzeitige Präsident Jacob Zuma keinen guten Job mache. Armut grassiere, Bildungspolitik versage. Die Erklärungen für die Ernüchterung in Südafrika sind vielfältig: Rassismus und Kolonialgeschichte wirkten weiterhin nach, die Wirtschaft ? sei weiter in den Händen der Weißen, Widerstandsbewegungen wie der ANC hätten generell Probleme, sich zu staatstragenden Parteien zu wandeln. Der tatsächliche Grund für die Schwierigkeiten Südafrikas ist allerdings, dass keiner der Nachfolger Mandelas dessen Format hat(te). Madiba war ein widersprüchlicher Mann, ein afrikanischer Aristokrat mit britischer Erziehung, und weitgehend frei von Eigeninteressen. Im krassen Gegensatz zu ihm gibt sich vor allem Zuma kräftig Mühe, alle Klischees kleptokratischer afrikanischer Despoten zu erfüllen. Erst vor kurzem wurde ein Skandal um Staatsgelder für Investitionen auf seinem Privatanwesen öffentlich. Mandela hat sich 1999 von seinem Präsidentenamt und 2004 aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Seither sind die ANC-Führer immer wieder zu ihm gepilgert, um Legitimität aus seinem Glanz zu ziehen. Bei den 2014 ?anstehenden Wahlen werden der ANC und Zuma mit großer Wahrscheinlichkeit wieder von der Ausstrahlung Mandelas profitieren und gewinnen. Dann wird man sehen, ob dessen Beispiel als Auftrag begriffen wird. Ist das nicht der Fall, wird Südafrika nicht nur den Rauch, sondern auch jenes Feuer sehen, das Mandela so lange kleingehalten hat.

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