19.06.2013 19:23:58
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"DER STANDARD"-Kommentar: "Kein neuer Geist von Berlin" von Christoph Prantner
Wien (ots) - Wer immer auf einen dieser speziellen
"Berlin-Momente" gewartet hatte, der wurde diesmal enttäuscht: Barack
Obamas erste Rede als amtierender US-Präsident in der deutschen
Hauptstadt war gewohnt routiniert und gut inszeniert, inhaltlich
jedoch blieb sie eher dürftig. Schrieben sich Vorgänger wie John F.
Kennedy ("Ich bin ein Berliner!") oder Ronald Reagan ("Herr
Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!") mit griffigen
Kernsätzen, die den Geist der Zeit trafen, in das kollektive
Gedächtnis von Generationen ein, wird Obamas Rede morgen schon
weitgehend vergessen sein. Das einzige wesentlich Neue darin war ein
Angebot an die Russen, das Atomwaffenarsenal der beiden Staaten vom
Niveau des 2010 beschlossenen Start-Vertrags noch einmal um ein
Drittel zu reduzieren. Damit bleibt Obama konsistent auf seiner
Abrüstungslinie, die er als Präsidentschaftskandidat in Berlin oder
bei seinem ersten großen Europa-Auftritt als Präsident im Jahr 2009
auf der Prager Burg bereits formuliert hat. Das ist löblich, klingt
gleichzeitig aber doch wie ein Echo aus lang vergangenen Zeiten des
Kalten Krieges. Deswegen wies ihn Moskau - dessen Kooperation Obama
bei der Reduktion taktischer und strategischer Atomarsenale braucht
umgehend und nicht ohne gewissen Unterton darauf hin, dass die
nukleare Bedrohung heute nicht nur von den beiden Supermächten
ausgeht, sondern auch von Staaten wie Nordkorea, Indien, Pakistan und
einem möglicherweise auf nukleare Fähigkeiten hinarbeitenden Iran.
Das, und nicht das amerikanisch-russische Atomarsenal, ist die
aktuelle politische Herausforderung, genauso wie der Konflikt in
Syrien oder der Skandal um das flächendeckende Überwachen von
Telefon- und Internetverkehr durch den US-Geheimdienst NSA. Zu beiden
nahm Obama zwar Stellung, überzeugen konnte er mit seinen Argumenten
aber nicht - auch deswegen, weil ihm das europäische und auch das
deutsche Publikum neuerdings nicht mehr uneingeschränkt zugeneigt
ist. Aus dem Messias, der trockenen Fußes über alle Wasser zu wandeln
vermochte, ist auch in der alten Welt ein gewöhnlicher Politiker
geworden, der immer öfter im sauren Regen der öffentlichen Meinung
steht. Das geschieht ironischerweise genau zu einem Zeitpunkt, zu dem
sich der amerikanische Präsident nach vier Jahren angestrengten
Spähens in den Pazifik wieder den alten Partnern zuwenden will. Ohne
Europa, ohne Wirtschaftswachstum und politische Lastenverteilung im
atlantischen Raum ist für die Amerikaner der Wettstreit mit China
viel schwerer zu gewinnen. Für eine solche Partnerschaft bedürfte es
allerdings mehr als der üblichen Inszenierung, denn diese kann die
Entfremdung in und mit Europa nicht wettmachen. Für einen neuen
"Geist von Berlin", für einen neuen Berliner Moment ist das
Brandenburger Tor als bloße Kulisse nicht ausreichend. Dafür müssen
Europäer und Amerikaner sich tatsächlich noch einmal gegenseitig
vergewissern, dass sie gemeinsame Werte teilen und verteidigen
wollen. Eine gute Gelegenheit dafür wäre, die amerikanische Chuzpe
(und nebenbei die Heuchelei der europäischen Nachrichtendienste) in
Sachen Prism-Spionagesoftware zu diskutieren. Denn genau in diesem
Fall muss man wieder auf den gemeinsamen Begriff von Freiheit kommen,
für den Berlin in der Vergangenheit stand.
Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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