09.06.2013 18:26:57
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"DER STANDARD"-Kommentar: "Fracking für Erneuerbare" von Günther Strobl
Wien (ots) - Öl, Gas und Kohle wird es immer geben. Darauf sollten sich vorsorglich all jene einstellen, für die Kohlenwasserstoffe das Böse schlechthin darstellen. Ein Jahrhundert lang haben Kohle, später verstärkt Öl und zuletzt zunehmend auch Gas der Menschheit hervorragende Dienste geleistet. Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert - ohne Kohle undenkbar. Mobilität, neue Lebensformen, Arbeitsteilung, Globalisierung - ohne Erdöl ein Ding der Unmöglichkeit. Ohne Erdgas gäb's keinen Dünger und null Chancen, eine dramatisch gewachsene und noch immer zunehmende Weltbevölkerung ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Das wird nur allzu rasch vergessen, wenn auf die vermeintlich "bösen" Kohlenwasserstoffe eingedroschen wird. Dabei übersieht man leicht, dass es ohne diese Molekülketten auch keine Medikamente gäbe - außer Naturkräuter selbstverständlich, die es aber auch nicht in ausreichendem Maße und für alle Krankheiten gibt. Und natürlich müsste man sich auch Kunststoffe, jede Art von Plastik, aber auch neumodischere Dinge wie Sonnenkollektoren abschminken. Fast in allem, was uns im täglichen Leben umgibt und was unser Fortkommen erleichtert, stecken letzten Endes Moleküle aus Kohlenwasserstoff. So ist es zweifellos eine gute Nachricht, dass der Höhepunkt der Öl- und Gasförderung und was sonst noch alles dem Maximum zustreben mag, verschoben ist. Verschoben ist der Peak Everything deshalb, weil durch neue Technologien plötzlich Öl und Gas auch aus kompaktestem Tongestein, wie es Schiefer darstellt, herausgesprengt werden kann. Fracking nennt sich die Methode, bei der unter hohem Druck mit viel Wasser, Sand und Chemie Risse in unterirdische Schiefergesteinsformationen gesprengt werden. Das aus den Ritzen strömende Gas oder heraussickernde Öl wird wie konventionelles verarbeitet und verkauft. In den USA waren es in den letzten fünf, sechs Jahren so große Mengen, dass die ganze Nation trunken geworden ist davon. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten schickt sich an, nach dem Überrunden Russlands als weltgrößter Gasproduzent den Titel auch in Sachen Rohöl zu erringen. Dass Öl, Gas und Kohle noch lange Zeit verwendet werden können, sollte nicht dazu verleiten, auf Neues und - Stichwort Klimaschutz - Besseres zu verzichten. Dazu gehört in erster Linie ein effizienterer Einsatz von Energie. Sie ist zu kostbar, um verschleudert zu werden. Dazu gehören aber auch erneuerbare Energien, die, anders als fossile, kein klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen. Gefragt sind mehr denn je innovative Ideen. Mit viel Gehirnschmalz sollte es doch wohl möglich sein, mit dem fluktuierenden Aufkommen von Wind- und Sonnenenergie umzugehen. Statt Fracking für fossile Energien sollte Europa Fracking für Erneuerbare propagieren - eine Denkfabrik mit Forschern aus verschiedensten Disziplinen, aber einem gemeinsamen Ziel: nachhaltigen Ersatz für Öl, Gas und Kohle als Lieferanten von Energie zu finden. Kohlenwasserstoffe sind zum Verbrennen schlicht zu schade. Auch das Steinzeitalter ist nicht aus einem Mangel an Steinen zu Ende gegangen, sondern weil Bronze entdeckt wurde, die bessere Eigenschaften hatte. In der Regel setzt sich das Bessere gegen das Gute durch. Manchmal muss man etwas nachhelfen.
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