16.05.2013 18:44:58
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DER STANDARD-Kommentar: "Ein Präsident scheut den Nahkampf" von Christoph Prantner
Wien (ots) - Es ist eine Art politisches Nasenbluten, das nicht und nicht aufhören will: Barack Obama hat in den vergangenen Tagen versucht, den Kopf in den Nacken zu legen und sich ruhig zu verhalten. Dem amerikanischen Präsidenten bekam das allerdings wenig bis gar nicht. Mittwochnacht dann legte er Hand an und stopfte sich quasi Papiertaschentücher in die Nase: Er schmiss den Chef der US-Steuerbehörde hinaus und legte eine 100-seitige Dokumentation über die tödliche Attacke auf das US-Konsulat in Bengasi vor. Niemand sollte mehr sagen können, dass der Präsident blutleer und passiv wirke. Obama durchlebt derzeit die bisher schwierigste Phase seiner zweiten Amtszeit. Skandale, die - mit Ausnahme des Vorfalles in Bengasi - vorerst nicht direkt mit dem Weißen Haus in Verbindung gebracht werden können, verhageln ihm seine politische Planung. Statt seine eigene Agenda vor-anbringen zu können, muss er einen Abwehrkampf führen gegen Republikaner, die nach der enttäuschenden Präsidentenwahl im November wieder Tritt gefasst und ihren politischen Hetztrieb zurückerlangt haben. Es geht um schwere Anschuldigungen und Verschwörungstheorien statt um konkrete Arbeit an einer Einwanderungsreform, dem Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union oder der Beilegung der Syrien-Krise. Die politische Bedrohung für den Präsidenten besteht dabei aber vorerst nicht darin, dass ihm die Vorwürfe seiner Gegner inhaltlich substanziellen Schaden zufügen könnten. Die Gefahr ist, dass wertvolle Zeit verlorengeht und er sich in den wichtigsten Monaten seiner zweiten Amtszeit verzetteln könnte. Will er in Washington noch etwas bewegen, dann muss er es bis zu den Midterm-Wahlen Ende 2014 tun. Denn danach wird ihm der Kongress keinen großen Sieg mehr gönnen. Von solchen großen Siegen allerdings, ja selbst von irgendwelchen Planungen dafür, ist das Weiße Haus dieser Tage weit entfernt. Hatte Obama im November mit seiner klaren Wiederwahl noch ein überwältigendes Mandat gewonnen, schaffte er es bisher nicht, dieses politische Kapital auch in die Waagschale zu werfen. Stattdessen muss er dementieren, dass er bereits seine sieben Zwetschken gepackt habe und beinahe drei Jahre vor dem Auslaufen seiner Amtszeit auf dem Absprung aus Washington sei. Allein, dass solche Fragen aufkommen, lässt ernste Zweifel an der Entschlossenheit des Präsidenten zu. Dabei tritt auch eine Eigenschaft Obamas hervor, die seine Strategieteams in Wahlkämpfen mit flockigen Auftritten immer gut überdeckt haben: Der Präsident ist kein Kämpfer, der sich wie etwa seinerzeit Lyndon B. Johnson mit Freude ins politische Schlammloch wirft. Der geschmeidige, professorale Intellektuelle ist einer, der lieber am Joystick sitzt und seine Operationen - sein Drohnenkrieg ist der beste Beleg dafür - aus der Entfernung steuert. Der politische Nahkampf liegt ihm nicht, weil er - apropos triefende Nase - kein Blut sehen kann. Dieser Infight mit den Republikanern und zum Teil auch mit seiner eigenen Partei wird sich allerdings nicht vermeiden lassen, will Obama in seinen verbleibenden Jahren erfolgreich sein und so etwas wie ein politisches Erbe hinterlassen. Lässt er sich, so wie zum Beispiel bei der gescheiterten Novelle zum Waffenrecht, weiterhin nicht darauf ein, dann wird seine zweite Amtszeit das, was in Washington als geflügeltes Wort gilt: ein Friedhof für Präsidentschaften.
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