06.08.2013 19:08:58

DER STANDARD-Kommentar: "Die verzögerte Integration" von Irene Brickner

"Wie Sebastian Kurz' Politik der kleinen Schritte zu einem Rückstand führte"; Ausgabe vom 7.8.2013

Wien (ots) - In gewisser Hinsicht kann man von einer Erfolgsstory sprechen. Denn verglichen mit anderen Politikbereichen in Österreich zeichnet sich das vielfältige Themenfeld, das unter dem Titel Integration läuft, durch eine gewisse Dynamik aus - nicht zuletzt wegen der bereits konkret gesetzten Maßnahmen. So strichen Staatssekretär Sebastian Kurz und Expertenbeiratsvorsitzender Heinz Faßmann bei der Vorstellung des diesjährigen Integrationsberichts etwa mit Recht die laufenden Programme zur Anerkennung ausländischer akademischer Ausbildungen heraus: Schritte gegen die in Österreich tief verankerte Missachtung der Qualifikationen Fremder, die ihren Ausdruck etwa in der Gestalt tausender taxifahrender Doktoren hat. Sie wiesen auf die guten Erfahrungen mit dem verpflichtenden Kindergartenjahr hin, das mithilft, frühe Sprachdefizite zu verhindern - um ein zweites derartiges Jahr zu fordern. Und sie lobten das laut Umfragen seit Jahren sich verbessernde sogenannte Integrationsklima im Land: Hatten 2010 noch 18 Prozent der Bevölkerung gemeint, das multinationale Zusammenleben funktioniere "sehr schlecht", so sind es heuer nur noch neun Prozent. Das ist, was den gesellschaftlichen Konsens angeht, eindeutig positiv. Doch es ist wohl nur teilweise den in Österreich betriebenen Integrationspolitiken zu verdanken. Vielmehr drückt sich in dieser gestiegenen Migrationsakzeptanz auch schlicht ein Prozess der Normalisierung aus: Es scheint, als verschlössen die Hiesigen die Augen nicht länger vor dem Umstand, dass Österreich ein Einwanderungsland geworden ist, als würden sie es zumindest als Faktum hinnehmen. Noch zu Beginn der jetzt endenden Legislaturperiode war das nicht selbstverständlich gewesen, Parolen von der FPÖ und anderen Rechten, die einen absoluten Einwanderungsstopp forderten, erschienen vielen glaubwürdig. Mit der Realität im sich vereinenden Europa, in der sich globalisierenden Welt waren derlei Vorstellungen schon damals auf Kollisionskurs. Denn während hierzulande diskutiert wurde, ob Einwanderung überhaupt sein dürfe, zerbrachen sich Wirtschafts- und Demografieexperten schon darüber den Kopf, wie man junge, gut ausgebildete Wunschmigranten dazu bringen könne, just ins kleine Österreich einzuwandern. Als Mittel der Wahl wurde daraufhin die Rot-Weiß-Rot-Card erfunden und beschlossen. Aber sie brachte nicht wirklich den erwünschten Erfolg, nur wenige kamen: zu restriktiv, zu sehr vom Gedanken strenger Kontrolle getragen, lautet jetzt die Kritik, der sich punktuelle Verbesserungsvorschläge anschließen. Etwa was die Höhe des nachzuweisenden Einkommens betrifft. Doch derlei Kosmetik könnte sich, so sie nach der Wahl zur Anwendung kommt, rasch als unzureichend entpuppen. Weil sich die Migrationsströme in den vergangenen Jahren verändert haben, die gut ausgebildeten Menschen auf der Suche nach Jobs und Auskommen neue Wege gehen, wie der renommierte Migrationsforscher Stephen Castles erläutert. Ein paar Jahre hier, ein paar Jahre dort, immer den gerade vorteilhaftesten Bedingungen nach: eine Entwicklung, angesichts deren die langsamen Integrationsverbesserungsschritte Österreichs wenig konkurrenzfähig erscheinen. Zusammengefasst: zu viel Dynamik von außen.

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