13.06.2017 18:43:47
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Brüssel stellt Derivate-Abwicklung in London nach Brexit in Frage
STRASSBURG (AFP)--Die EU eröffnet eine neue Front im Tauziehen mit Großbritannien um die Folgen des Brexit. Die EU-Kommission legte am Dienstag ihre Vorschläge für die Zukunft der lukrativen Abwicklung von Finanzderivaten in der Londoner City vor. Demnach soll die Behörde die Befugnis bekommen, einen Teil des milliardenschweren Geschäfts mit auf Euro laufenden Wertpapieren aus der britischen Hauptstadt abzuziehen.
Clearing-Häuser sind ein Schlüsselelement des Finanzsystems. Über sie werden jedes Jahr Geschäfte mit Derivaten in Billionenhöhe abgewickelt - in Europa hauptsächlich über London. Banken sichern sich mit solchen Wertpapieren gegen Währungsschwankungen oder Zinsänderungen ab. Aber auch exportorientierte Unternehmen nutzen die Derivate als Rückversicherung gegen Schwankungen an den Finanzmärkten.
Der Druck, den Umgang mit den Clearing-Stellen im Nicht-Euro-Land Großbritannien zu klären, hat sich durch den Brexit nochmals verstärkt. Denn ohne gesonderte Vereinbarung zwischen der EU und London würden britische Anbieter ihre Lizenz für den EU-Clearinghandel nach dem für 2019 geplanten Austritt aus der Union verlieren.
Anpassung der Regeln erforderlich Angesichts des Ausscheidens "eines der größten EU-Finanzzentren müssen wir bestimmte Anpassungen bei unseren Regeln vornehmen", erklärte Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis. Tatsächlich verzichtet seine Behörde nun aber darauf, eine in der Londoner City zunächst befürchtete automatische Verlagerung der Clearing-Stellen auf den Kontinent zu verlangen.
Nach dem Kommissionsvorschlag soll es künftig möglich sein, "eine begrenzte Zahl" von Clearing-Häusern zu verpflichten, von innerhalb der EU aus zu agieren. Dies gelte für Anbieter, die von so großer Bedeutung für die Stabilität des Finanzsystems seien, dass die Regeln zur Überwachung außerhalb der EU nicht ausreichten, um mögliche Risiken einzudämmen.
Die Notwendigkeit der Verlagerung soll nach den Kommissionsplänen durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in Paris in Abstimmung mit der Europäischen Zentralbank und nationalen Notenbanken geprüft werden. Auf Basis der Einschätzung soll die Kommission entscheiden, ob das Finanzhaus für das Euro-Clearing-Geschäft künftig in der EU angesiedelt sein muss. Über die Kommissionsvorschläge müssen nun noch die Mitgliedstaaten und das Europaparlament befinden.
Erste Banken nehmen beim Clearing Abschied von London Angesichts der Unsicherheit um den Ausgang der Brexit-Verhandlungen suchen aber offenbar erste Banken Alternativen zur Abwicklung von Finanzderivaten in Großbritannien. "Erste Institute wenden sich Clearing-Häusern auf dem Kontinent und vor allem hier in Frankfurt zu", sagte Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling dem Handelsblatt. Diese Entwicklung werde sich vermutlich im Verlauf der EU-Austrittsverhandlungen mit London "massiv verstärken, wenn die Wahrscheinlichkeit für einen harten Brexit zunehmen sollte".
Großbritannien verteidigt den Clearing-Handel in Euro seit Jahren gegen Forderungen, ihn auf den Kontinent zu verlagern. 2015 hatte London vor dem Europäischen Gerichtshof das Recht erstritten, ihn zu behalten. Verfahrensgegnerin war damals die Europäische Zentralbank (EZB). Die Frage dürfte nun einer der zentralen Punkte der Austrittsverhandlungen der EU mit London werden.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
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June 13, 2017 12:13 ET (16:13 GMT)- - 12 13 PM EDT 06-13-17

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