24.02.2019 16:25:41

Britisches Minister-Trio: Lieber Brexit verschieben als kein Abkommen

LONDON (dpa-AFX) - Rebellion in Londons Regierung: Kurz vor der Abstimmung über die nächsten Brexit-Schritte im britischen Parlament gehen gleich drei Minister öffentlich auf Konfrontationskurs zu Premierministerin Theresa May. Sie wollten einen "desaströsen" ungeregelten EU-Austritt verhindern, teilte das Trio mit. Damit steigen die Chancen, dass das Parlament am Mittwoch bei der Abstimmung May die Kontrolle über den Brexit-Kurs aus der Hand nimmt.

Ein No Deal würde die nationale Sicherheit schwächen, die Ökonomie stark schädigen und er könnte zum Zerfall des Vereinigten Königreichs führen, warnten Arbeitsministerin Amber Rudd, Wirtschaftsminister Greg Clark und Justizminister David Gauke. Gelinge in den nächsten Tagen kein Durchbruch im Parlament, müsse der Brexit verschoben werden, forderte das EU-freundliche Trio am Samstag in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Daily Mail".

May reagierte gelassen auf die Rebellen in den eigenen Reihen. Außerdem kündigte sie an, dass das sogenannte meaningful vote (bedeutungsvolles Votum) bis zum 12. März stattfinden wird: Die Regierung kann das Brexit-Abkommen mit Brüssel nur unterzeichnen, wenn zuvor das Parlament zugestimmt hat.

"Es ist immer noch in unserer Reichweite, die EU mit einem Abkommen am 29. März zu verlassen", sagte May, die am Sonntag zum Gipfel der EU mit der Arabischen Liga nach Ägypten flog. Kritiker werfen der Premierministerin immer wieder vor, auf Zeit zu spielen.

Bei der Abstimmung über die nächsten Brexit-Schritte am kommenden Mittwoch im Londoner Parlament bleibt es. Zuvor wird May am Dienstag im Unterhaus eine Erklärung abgeben.

Das britische Parlament ist in Sachen Brexit total zerstritten - und viele befürchten, dass Großbritannien ohne Abkommen die Europäische Union verlassen muss. Das hätte chaotische Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. May hält am 29. März fest und schließt auch eine Trennung von der EU ohne Abkommen nicht aus.

Der öffentliche Aufruf der drei Minister richtet sich auch gegen die Brexit-Hardliner in ihrer Konservativen Partei. Etwa 80 dieser sogenannten Brexiteers haben sich in der European Research Group um den erzkonservativen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg versammelt. Diese Gruppe setzt die Premierministerin massiv unter Druck.

Dutzende bislang loyale Tories hatten May bereits am Freitag damit gedroht, für eine Verschiebung des Brexits zu stimmen, statt einen No Deal mit chaotischen Folgen zu riskieren. Man habe den Einfluss der Brexit-Hardliner der European Research Group satt, hieß es. Die Gruppe handele wie eine Partei innerhalb der Partei.

Das Aufbegehren der Minister stieß auf unterschiedliche Reaktionen. "Das ist mutig, prinzipientreu und ich applaudiere ihnen", sagte der konservative Abgeordnete Nicholas Boles der BBC.

Brexit-Hardliner forderten dagegen den Rücktritt des Trios, falls es am Mittwoch tatsächlich gegen May agiere. "Minister, die gegen die Regierung stimmen, sind nicht länger Minister. Das ist unsere konstitutionelle Tradition", sagte Rees-Mogg am Sonntag der BBC.

Eine parteiübergreifende Gruppe um die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper will bei der Abstimmungsrunde am Mittwoch im Parlament eine No-Deal-Notbremse durchsetzen. Der Plan sieht vor, May zum Verschieben des Brexits zu zwingen, sollte sie bis Mitte März keinen Erfolg mit ihrem Austrittsabkommen haben.

Ein ähnlicher Antrag war zwar schon einmal von den Abgeordneten im Unterhaus abgelehnt worden. Dieses Mal werden ihm aber angesichts des zunehmenden Zeitdrucks mehr Chancen eingeräumt.

Insgesamt ein knappes Dutzend ehemalige Tories und Labour-Abgeordnete haben in der vergangenen Woche eine "Unabhängige Gruppe" im Parlament gegründet und weitere Parlamentarier dazu aufgerufen, sich ihnen anzuschließen. Mays Minderheitsregierung, die von der nordirischen Partei DUP gestützt wird, ist auf jede Stimme angewiesen.

Die Kirche von England kündigte an, fünf Tage lang für den Brexit zu beten - insbesondere für alle Entscheidungsträger "in hohen Positionen". "Das Leben nach dem EU-Austritt geht weiter", sagte am Samstag der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby./si/DP/mis

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