20.03.2015 21:54:05
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Börsen-Zeitung: Zinsfantasien, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Nur, die Märkte mochten in den vergangenen Tagen keine rechten
Zinsfantasien entwickeln. Im Gegenteil, die Renditen von
US-Staatsanleihen sanken direkt nach der Pressekonferenz von Janet
Yellen, die Rendite zehnjähriger Treasuries fiel wieder unter die
Marke von 2%. Zugleich erlitt der Dollar einen regelrechten, wenn
auch kurzzeitigen Schwächeanfall. Einige Marktteilnehmer sprachen gar
von einem Flash Crash am Devisenmarkt in der Nacht von Mittwoch auf
Donnerstag. Der Euro schoss binnen Stunden um mehr als vier US-Cent
nach oben, um bald darauf - auch wegen neuer Griechenland-Nervosität
wieder zurückzufallen. Aber auch beim Dollar-Yen-Kurs schoss die
Volatilität in die Höhe. Von einer Dollar-Rally war nichts zu sehen,
Gewinne wurden mitgenommen.
Frage der Geschwindigkeit
Die Marktteilnehmer glauben doch nicht an die Zinswende in den USA, so hat es den Anschein. Zu dieser Erwartung trugen Yellens Bemerkungen bei, dass die Fed flexibel anhand der Daten handeln werde. Sie hat die Tür aufgestoßen, aber offengelassen, ob sie im Juni bereits hindurchgehen wird. Und noch unklarer ist, in welcher Geschwindigkeit die Notenbank den Zinspfad beschreiten wird.
Die noch immer gedämpfte Inflation und jüngste Konjunkturdaten sprechen für ein langsames Vorgehen: Die Zahl der unter Markterwartungen liegenden US-Daten ist zuletzt gestiegen, während in der Eurozone vermehrt positive Überraschungen vermeldet wurden. Auch dies ein Grund, warum die Abwertung des Euro zuletzt trotz der Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) weitgehend zum Stillstand kam. Sie waren bereits eingepreist, die positiven Überraschungen auf der Konjunkturseite noch nicht. Doch der Dollar-Kurs und die Zehnjahresrendite sind nur ein Ausschnitt der Markterwartungen. Zumal die US-Treasury-Renditen eng mit denen für Bundesanleihen korreliert sind, da dies die beiden global liquidesten "AAA"-Anlagen sind. Wegen der quantitativen Lockerung in der Eurozone stehen bei deutschen Staatsanleihen die Zeichen auf einen weiteren Renditerückgang, im Zehnjahresbereich wurden zum Wochenschluss erstmals 0,168% erreicht. Dies bremst auch die US-Renditen.
Aussagekräftiger für Zinserwartungen sind ohnehin die Renditen der zweijährigen Treasuries, denn wer weiß schon, wie in sieben, acht oder gar neun Jahren das Zinsumfeld sein wird. Zwei Jahre sind überschaubarer. Und für diesen Zeitraum zeigt die US-Zinstendenz seit Mitte Januar weitgehend nach oben.
Aktien preisen Zinswende ein
Und auch andere Marktsegmente preisen offenbar eine Zinswende in den USA ein. Die ohnehin schon hoch bewerteten US-Aktienmärkte schwächeln seit Wochen, der Leitindex S&P 500 entfernt sich immer weiter von seinem Rekordniveau und hält sich gerade noch so über der Marke von 2000 Punkten. Doch insbesondere Anlagen aus den Schwellenländern stehen unter Druck, ihre Währungen werten auf breiter Basis ab. Das ist in Fällen wie Brasilien (Petrobras-Affäre, Reformstau) oder der Türkei (Angriffe der Politik auf die Unabhängigkeit der Notenbank) auch hausgemacht. Doch in der Breite droht den Schwellenländern ein Kapitalabfluss, wenn die USA wieder mit höheren Zinsen locken.
Flexibilität heißt Volatilität
Die Märkte bleiben also weiterhin für eine US-Zinswende positioniert, wenngleich dafür wohl mehr Geduld nötig sein wird, als mancher noch vor einer Woche erwartet hatte. Da die Fed sich flexibel an den Konjunkturdaten orientieren will, dürfte es in den kommenden Wochen ein stetes Auf und Ab der Zinsfantasien geben. Die Folge wird ein deutlicher Anstieg der Volatilität sein, die Ereignisse von Mittwochnacht geben einen Vorgeschmack. Auch geduldige Investoren brauchen dann starke Nerven.
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