18.09.2015 21:42:37
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Börsen-Zeitung: Übertriebene Verluste, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
Die Fed wollte mit ihrem Stillhalten und dem expliziten Hinweis, dass sie nicht nur auf die US-Volkswirtschaft, sondern auch auf die internationalen Entwicklungen achtet, eigentlich für Ruhe sorgen. Erreicht hat sie aber genau das Gegenteil: An den Märkten setzte sich die Überzeugung durch, dass die US-Notenbanker die Lage in China offenbar für ziemlich ernst halten müssen.
Damit ist für die Marktteilnehmer die Perspektive einer harten Landung der chinesischen Volkswirtschaft wieder stark in den Fokus gerückt - auch wenn die meisten Ökonomen dies nicht für die wahrscheinlichste Entwicklung im Reich der Mitte halten. Allerdings geht eine ganze Reihe von Beobachtern inzwischen davon aus, dass das Wachstum im Reich der Mitte auf null zurückgefallen ist. Den offiziellen Zahlen, die ein Wirtschaftswachstum von rund 7% p.a. nennen, traut jedenfalls kaum jemand. So mancher Marktteilnehmer mag sich daher fragen, welche Sorge die Fed-Chefin Janet Yellen hinsichtlich China derzeit umtreibt.
Allerdings ist die Perspektive der Wachstumsabschwächung nicht neu, sie gibt es schon seit einigen Monaten. Daher liegt der Verdacht nahe, dass die nicht immer glückliche Kommunikation der Fed eine Hauptrolle bei der Verunsicherung der Marktteilnehmer spielt. So gab und gibt es erhebliche Unsicherheit darüber, wann (und ob) die Fed denn nun den Leitzins erhöht. Unsicherheit ist für viele Marktteilnehmer schwieriger zu bewältigen als etwa die sichere Aussicht moderater Zinsanhebungen. Mit den aktuellen Verlusten hat sich gezeigt, dass eine Geldpolitik der Fed, die sich zunehmend an den Stimmungen auf den Finanzmärkten orientiert, rasch an ihre Grenzen kommt. Möglicherweise wird es innerhalb der Fed in den kommenden Monaten zu pointierten Diskussionen über diesen Punkt kommen.
Mit Blick auf die Tatsache, dass nur wenige Ökonomen eine harte Landung der chinesischen Volkswirtschaft als das wahrscheinlichste Szenario ansehen, erscheinen die Verluste vom Freitag allerdings als übertrieben. Der Dax ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate von 11,7 keineswegs mehr hoch bewertet. Damit befindet er sich aktuell ungefähr in der Mitte der Bewertungsbandbreite der vergangenen fünf Jahre. Interessanterweise waren die Verluste an der Wall Street am Freitag geringer als beispielsweise beim Dax, obwohl die Bewertungen mit einem KGV von 15,6 beim S&P 500 dort höher sind. Somit ist zu erwarten, dass sich der deutsche und europäische Aktienmarkt zu Beginn der neuen Handelswoche erholen wird. Ralf Zimmermann, Aktienstratege beim Bankhaus Lampe, rät sogar dazu, in die Schwäche des Dax hineinzukaufen. Die negative Marktreaktion werde sich höchstwahrscheinlich wieder umkehren.
Dafür führt Zimmermann mehrere Gründe an. So habe die Fed signalisiert, dass sie sich nicht auf einem klassischen Pfad der Leitzinsanhebungen befindet, weil die Notenbank ihre Projektionen für die Zinsentwicklung deutlich nach unten korrigiert hat. Investoren hätten also weniger von der Fed zu befürchten als bisher erwartet. Die Bewertungen hätten sich mit der jüngsten Korrektur deutlich verbessert, zumal die Gewinnerwartungen für 2016 nur ganz leicht gesunken seien. Ferner sei zu erwarten, dass die Gewinnentwicklung im dritten Quartal robust ausfällt.
Kurzfristig gibt es allerdings noch Gefahren. Technische Analysten weisen darauf hin, dass ein Rückschlag beim Dax bis auf 9300 Punkte denkbar sei, sollte die Unterstützung des Dax bei 9880 Punkten nicht halten. Aber selbst wenn es dazu kommen sollte, ist doch zu erwarten, dass angesichts der aktuell übertriebenen Verluste eine zügige Erholung einsetzt.
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