02.06.2017 22:53:57
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Börsen-Zeitung: Niedrige Renditen voraus, Marktkommentar von Kai Johannsen
Geringe Inflation
Natürlich ist es möglich, dass EZB-Präsident Mario Draghi mit solchen konkreten Hinweisen aufwarten wird, wahrscheinlicher ist aber, dass die EZB Vorsicht walten lässt und manche Worte ihres Präsidenten an den Märkten anschließend - wieder einmal - überinterpretiert werden mit entsprechend kurzlebigen Anpassungsreaktionen an den Märkten, die schon in den Folgetagen wieder egalisiert werden. Die EZB hat allen Grund, vorsichtig zu sein. Da stehen zum einen noch wichtige Wahlen in der Eurozone auf der Agenda in diesem Jahr, in Deutschland und womöglich ja auch in Italien. Die Europäische Zentralbank wird mit einer Änderung ihrer Politik oder auch nur mit einer entsprechenden Kommunikation über eine mögliche Änderung der Geldpolitik wohl kaum dafür sorgen wollen, dass sie mit Marktturbulenzen, d.h. nach oben schießenden Anleiherenditen, die Wahlen beeinflusst, weil Länder wieder Schwierigkeiten über die höheren Marktzinssätze bekommen. Zum anderen spielt die jüngste Inflationsentwicklung in der Eurozone den europäischen Währungshütern nicht unbedingt in die Hände. Mit einer Mai-Inflationsrate von 1,4% gegenüber dem Vorjahresmonat lag die Teuerung deutlich unter April (1,9%) und auch noch unter den Erwartungen der Marktteilnehmer (im Schnitt: 1,5%). Und sie könnte in den kommenden Monaten niedrig bleiben und womöglich noch weiter fallen. Im Blick wird die EZB dabei sicherlich die Ölpreisentwicklung haben. Zwar haben sich die Ölförderländer rund um die Opec darauf geeinigt, die Drosselung der Förderung beizubehalten, d.h. um neun Monate zu verlängern, aber die rechte Wirkung an den Ölmärkten will nicht aufkommen. Der Ölpreis neigt zur Schwäche; ein Fass Brent-Öl kostet schon wieder weniger als 50 Dollar. Das könnte den gewünschten Inflationsschub wieder zunichtemachen und damit auch das Ende von QE weiter in die Zukunft verschieben.
Aber selbst wenn der Ölpreis in Richtung von 60 Dollar gehen
sollte, selbst wenn die Wahlen ohne Rechtsruck über die Bühne gehen
und selbst wenn die EZB irgendwann die Rhetorik ändert und die ersten
Renditeschübe nach oben als Reaktion darauf erfolgt sind, sollte man
sich darauf einstellen, dass die Rentenmärkte mitnichten zur alten
Welt - also dem Vorkrisenmodus mit deutlich höheren Anleiherenditen
zurückkehren.
Das QE wird bekanntermaßen nicht über Nacht eingestellt und alle
Anleihen aus dem billionenschweren EZB-Portfolio dann tags darauf
verkauft. Das ist klar. Es wird auf eine allmähliche Rückführung
hinauslaufen, also zunächst Drosselung der Käufe, bis sie irgendwann
bei null sind. Das zeigt dann aber immer noch Markteinfluss. Zu
bedenken ist in diesem Zusammenhang aber auch, was die EZB schon auf
dem Buch hat. Da sie diese Anleihen nicht verkaufen wird, erhält sie
wenn auch prozentual niedrige - immer noch Zinszahlungen, die sie
anlegt. Bei einem billionenschweren Portfolio ist das nicht zu
vernachlässigen. Auch diese Wiederanlage von Zins und Zinseszins
zeigt Wirkung an den Märkten, d.h. das deckelt den Renditeauftrieb.
Und da die EZB auch langlaufende Bonds im Bestand hat und die
durchschnittliche Laufzeit des Portfolios am Ende der Käufe
vielleicht im Bereich von sechs bis zehn Jahren liegt, lässt sich
leicht ausmalen, wie lange die Effekte der Käufe bzw. Zinsanlage die
Märkte noch beeinflussen werden.
Und ein nicht zu unterschätzender Faktor wird von vielen Experten immer gern ausgeblendet. Das ist die Reaktion des Marktes, d.h. der Anleger, auf höhere Renditen. Man darf nicht vergessen, dass Versicherer, Pensionsfonds, Fonds/Assetmanager nun schon seit Jahren mit niedrigen und immer weiter fallenenden Renditen leben. Sollte es wirklich mal Auftrieb geben, werden sie begierig zugreifen. Allein diese Käufe bremsen den Renditeauftrieb dann schon wieder ab bzw. können ihm den Garaus machen. Höhere Renditen sind also nicht in Sicht.
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Pressekontakt: Börsen-Zeitung Redaktion
Telefon: 069--2732-0 www.boersen-zeitung.de
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