26.09.2008 14:18:00
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BÖRSEN-AUSBLICK/Finanzsystem auf dem Prüfstand
FRANKFURT (Dow Jones)--In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob das Finanzsystem in der jetzigen Form die momentane Krise überleben wird. Am Donnerstagabend feierte die Wall Street bereits, dass der US-Kongress das 700 Mrd Dollar schwere TARP-Rettungspaket ("Troubled Asset Relief Program") durchgewunken hat. Doch dann hat der Wahlkampf das Thema Rettung der Finanzwelt für sich entdeckt, und die Republikaner haben überraschend Bedenken angemeldet. Damit ist der Plan von US-Finanzminister Henry Paulson zunächst nicht aufgegangen, mit einer schnellen Verabschiedung des Rettungsplans den politischen Machtspielen zu entgehen.
Und es kam noch schlimmer. Die ehemals größte Sparkasse der USA, Washington Mutual, ist dem Zusammenbruch nur durch einem Unterschlupfen bei J.P. Morgan entkommen. Bereits seit Tagen war die Entwicklung absehbar, der Aktienkurs schmolz innerhalb der letzten 12 Monaten von 36,07 USD auf 1,69 USD zusammen. Ein Gang in den Konkurs, wie bei Lehman Brothers, war auf Grund der Kundeneinlagen in Höhe von rund 190 Mrd USD und den leeren Kassen des Einlagensicherungsfonds FDIC keine Option. Lange Schlangen vor den Türen ihrer Sparkasse Washington Mutual im Frühstücksfernsehen hätten wahrscheinlich einen Banken-Run ausgelöst.
Wie sehen die Optionen aus? Aus Sicht der Finanzmärkte muss der in Aussicht gestellte Rettungsplan eher heute als morgen die Zustimmung im Kongress erhalten. Jede Verzögerung würde weitere Verunsicherung an den Finanzmärkten auslösen, jüngst aktiv gewordene langfristige Investoren wie Warren Buffett könnten dem Aktienmarkt erneut den Rücken zuwenden. Die Liquiditätsversorgung des Finanzsystems dürfte weiter auf den Schultern der Notenbanker lasten.
Der "Größte anzunehmende Unfall", von dem niemand ausgeht, könnte von einem Nein im Kongress ausgelöst werden. Die Marktkräfte würden dann zu einer bereinigenden Konsolidierung im Bankensektor ausholen. Aber auch ein nur zögerliches "Ja" der US-Politiker dürfte sichtbare Spuren bei den globalen Finanzhäusern hinterlassen. Es drängt die Zeit. Bis nach den US-Wahlen am 4. November zu warten, stellt keinen gangbaren Weg dar.
Zu hoffen ist daher, dass die US-Politiker spätestens am Wochenende dem Rettungsplan ihren Segen geben. Auch dann dürfte es noch Wochen dauern, bis den Finanzinstituten ihre faulen Kredite und hypothekenbesicherte Wertpapiere abgekauft werden. Eine weitere unterstützenden Maßnahme, fest von den Fed-Fund-Futures eingepreist, stellt die Senkung der Leitzinsen um 25 Basispunkte durch die Federal Reserve dar. Deutlich machtvoller wäre, wenn es zu einer konzertierten Aktion der großen Notenbanken kommt.
Ein kleiner Blick über die nächste Woche hinaus ist auf Grund der momentanen Situation opportun. Nachdem die Zeit für die großen US-Investmentbanken zu Ende ist, wird auch der Gilde der Hedge-Funds eine schwierige Zukunft prophezeit. Sicher werden einige Finanzjongleure als die großen Gewinner aus dieser Krise hervorgehen, viele dürften allerdings das Vertrauen ihrer Anleger verspielt haben. Die zuletzt gesehenen erratischen Bewegungen an den Rohstoffmärkten werden im direkten Zusammenhang mit Liquidierungen von Hedge-Funds-Positionen wie Ospraie gesehen.
Uneinig sind sich die volkswirtschaftlichen Abteilungen der Banken darüber, ob die Inflation durch das kräftige Aufblähen der Geldmenge in den USA in die Höhe schießen wird - oder aber eine Deflation vor der Tür steht. Auch die Entwicklung für Dollar und Staatsanleihen ist kaum einschätzbar.
Sollte der Rettungsplan Zustimmung erhalten, dürfte nach einer ersten Schätzung der WestLB das US-Haushaltsdefizit im schlimmsten Fall auf 8 bis 10% und die Schuldenstandsquote auf über 100% des Bruttoinlandsquote ansteigen. Dies beinhalte eine potenziell gravierende Belastung für die US-Bürger, Treasuries und den Dollar. Damit sieht die WestLB gute Gründe, warum die optimistische Erwartung einer raschen Kurserholung an den Aktienmärkten enttäuscht werden könnte.
Auf Grund des auslaufenden dritten Quartals stehen in der kommenden Woche keine wichtigen Unternehmenstermine auf der Agenda. Ob es zum Quartalsende zu einem Window-Dressing durch Kapitalanlagegesellschaften kommen wird, bleibt in diesen schwierigen Zeiten abzuwarten. Am Freitag kommender Woche, dem Tag der Deutschen Einheit, wird an der Börse gehandelt. Mit dem Beginn des vierten Quartals werden die von den Unternehmen vorgelegten Zahlen zeigen, welch tiefe Spuren die Finanzkrise in der Realwirtschaft hinterlassen hat. Dabei ist nicht auszuschließen, dass der Gewinnwarnung von General Electric aus dieser Woche noch mehr enttäuschende Revisionen folgen.
-Von Thomas Leppert, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 29725 221, thomas.leppert@dowjones.com DJG/thl/hru/raz (END) Dow Jones NewswiresSeptember 26, 2008 08:16 ET (12:16 GMT)
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