20.02.2009 14:27:00

BÖRSEN-AUSBLICK/Auch die zweite ifo-Schwalbe macht keinen Sommer

   FRANKFURT (Dow Jones)--"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben", prognostizierte Michael Gorbatschow einstmals dem maroden DDR-Regime. Honecker, Mielke & Co hätten seinerzeit im Oktober 1989 besser auf ihn gehört, denn nur wenige Monate nach dem Menetekel des damaligen Staats- und Parteichefs der früheren Sowjetunion hatten sie tatsächlich abgewirtschaftet.

   Ähnliches gilt für die Aktienmärkte, die die Entwicklung der Realwirtschaft vorwegnehmen. Noch bevor sich also der konjunkturelle Abschwung in wegbrechenden Aufträgen und steigender Arbeitslosigkeit manifestiert, geht es bereits an den Börsen nach unten. Umgekehrt legen die Notierungen schon zu, noch bevor die gesamtwirtschaftliche Erholung am neuerlichen Aufbau von Lagerbeständen und an ersten Neueinstellungen sichtbar wird.

   Um bereits vor den realwirtschaftlichen Wendepunkten aus- bzw einsteigen zu können - denn wer dort zu spät reagiert, wird zwar nicht mit Macht-, allerdings mit Vermögensverlust bestraft - hängen die Blicke der Aktienmarktteilnehmer an den so genannten Frühindikatoren. Sind diese zumeist von Wirtschaftsforschungsinstituten berechneten Stimmungsbarometer gut zusammengestellt, steigen oder fallen sie mit deutlichem zeitlichen Vorlauf.

   Nicht nur weil die kommende Woche von der Veröffentlichung einer ganzen Reihe dieser Frühindikatoren geprägt sein wird, lohnt der genauere Blick auf ihre Aussagekraft. Vielmehr ist er auch deswegen interessant, weil sich der ifo-Index, das wichtigste Stimmungsbarometer für die deutsche Wirtschaft, im Januar überraschend erholt hat und eine Reihe von Investoren womöglich bereits in den Startlöchern stehen, um bei einem neuerlichen Anstieg bereits in den Markt zu gehen.

   "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", lautet in dieser Hinsicht das Fazit der Volkswirte der Commerzbank, die sich in einer ihrer jüngsten Analysen mit der Aussagekraft von ifo und ZEW beschäftigt haben. Frühindikatoren legten häufig in einem einzigen Monat zu, nur um danach wieder zu sinken.

   Beim ifo-Index etwa komme es in fast 30% aller Monate zu solchen Fehlsignalen. In der zweiten Hälfte 2004 sei das Stimmungsbarometer sogar viermal in Folge gestiegen, danach allerdings abermals eingebrochen. "Das Tief hat dieser vielbeachtete Frühindikator erst im Frühsommer 2005 erreicht. Anleger, die dem Fehlsignal Ende 2004 aufgesessen waren, hatten vergeblich auf eine frühe Zinssenkung der Europäischen Zentralbank gesetzt", schreibt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

   Daher empfiehlt der Ökonom, die Stimmungsbarometer mit Hilfe von Durchschnitten zu glätten. Das Ende einer Rezession zeige ein Frühindikator erst dann an, wenn er so stark gestiegen sei, dass der Mittelwert wieder nach oben zeige. Mit Blick auf den ifo-Index hält er den Durchschnitt über die vorangegangenen fünf Monatswerte für angebracht, beim schwankungsanfälligeren ZEW-Index sechs Monatswerte. Das Restrisiko eines Fehlsignals liege damit bei maximal 10% je Frühindikator. Aufgrund der Mittelwertbildung könne sich das Signal für eine konjunkturelle Wende zwar um einige Monate verzögern, dafür sei es jedoch sicherer.

   Um das Ende eines Abschwungs möglichst früh anzuzeigen, hält der Commerzbank-Chefvolkswirt den ZEW-Index für am besten geeignet. Seit 1992 habe er die Tiefpunkte der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe im Schnitt mit einem Vorlauf von knapp sechs Monaten signalisiert. Eine ordentliche Indikation liefere auch die Erwartungskomponente des ifo-Index, der gesamte vom Münchener ifo-Institut ermittelte Frühindikator sowie der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Industrie schnitten in dieser Hinsicht etwas schlechter ab.

   Wenig sagen die Stimmungsbarometer nach Krämers Erfahrungen hingegen über die Intensität eines Auf- oder Abschwungs aus. "Nach dem Platzen der Aktienmarktblase zu Beginn dieses Jahrzehnts folgte der Rezession nur eine blutleere Aufwärtsbewegung. Trotzdem haben sich die Frühindikatoren kurz vor dem Ende der Rezession ordentlich erholt." Dies gelte auch für die die Phase des beschäftigungsunwirksamen Wachstums, das der Rezession Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gefolgt sei, als die US-Volkswirtschaft unter einer Krise des Sparkassensektors gelitten habe.

   Doch wo stehen die Durchschnitte von ZEW- und ifo-Index mittlerweile? Ersterer beispielsweise steigt bereits seit Ende vergangenen Jahres, sein Durchschnitt über sechs Monatswerte weist mittlerweile nach oben. "Andere Indikatoren mit kürzeren Vorläufen sollten bald ebenfalls zu steigen beginnen", prognostiziert der Commerzbank-Chefvolkswirt.

   Allerdings seien diese Aussagen mit einer wesentlich höheren Unsicherheit als früher behaftet. Denn angesichts von unverändert latenter Finanzkrise und eines nicht normal verlaufenden konjunkturellen Abschwungs dürften die Stimmungsbarometer nicht mehr isoliert interpretiert werden. Daher sollten Anleger darauf achten, dass sich gleichzeitig die durch Marktpreise gemessene Unsicherheit weiter zurückbilde.

   Die Aktienmärkte erholten sich Krämer zufolge mit dem Steigen von ifo- und ZEW-Index. "Aber wir bezweifeln, dass die Kurse nachhaltig steigen. Denn in einem Umfeld blutleeren Wirtschaftswachstums könnten die Unternehmen ihre Gewinne nicht ordentlich steigern. Außerdem werde die Politik künftig die Wirtschaft stärker regulieren.

   Der ifo-Index für den Monat Februar steht für Dienstagvormittag auf der Agenda der Konjunkturdaten. Am Nachmittag wird aus den USA das vom Conference Board ermittelte Verbrauchervertrauen erwartet. Zur Wochenmitte stehen aus der größten Volkswirtschaft der Welt die Verkäufe bestehender Häuser zur Veröffentlichung an. Am Donnerstag folgen die von der GfK berechnete Stimmung der deutschen Privatverbraucher, die heimischen Arbeitsmarktdaten sowie eine Reihe von Stimmungsindikatoren aus dem Euroraum. Darüber hinaus sind aus den USA die wöchentlichen Zahlen zum Arbeitsmarkt sowie die Neubauverkäufe und Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter avisiert.

   Zum Wochenausklang stehen aus den USA noch der Einkaufsmanagerindex für die Region Chicago sowie die zweite Veröffentlichung des von der Universität von Michigan ermittelten Verbrauchervertrauens auf der Tagesordnung. Mit Deutscher Börse, Henkel, RWE, BASF, Allianz, Deutscher Post und Deutscher Telekom legen darüber hinaus eine Reihe von Unternehmen aus dem Dax ihre Zahlen für das vergangene Jahr vor.

   Allerdings dürfte die Bedeutung dieser Ergebnisse nach Ansicht vieler Vermögensverwalter derzeit vor den makroökonomischen Kennziffern in den Hintergrund treten. "Ich glaube, dass der Aktienmarkt in diesem Jahr sehr viel stärker von makroökonomischen Themen als von Branchen- oder Unternehmensnachrichten geprägt sein wird", hatte etwa Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer von Deutschlands größter Fondsgesellschaft DWS, im Lauf dieser Woche zu Dow Jones Newswires gesagt.

-Von Jörg E. Jäger, Dow Jones Newswires, +49 (0)69 29 725 220, joerg.jaeger@dowjones.com DJG/jej/flf Besuchen Sie unsere neue Webseite http://www.dowjones.de (END) Dow Jones Newswires

   February 20, 2009 07:53 ET (12:53 GMT)

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