09.11.2007 09:27:00
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Biokraftstoffe geraten in die Kritik
FRANKFURT (AP)--Wenn der Ölpreis in ungeahnte Höhen steigt, müsste die alternative Energieform Biomasse eigentlich glänzend dastehen. Doch um den Energieträger mit dem sauberen Image gibt es neuerdings heftigen Streit. Die Frage lautet: Verschärft sich das Hungerproblem in den Entwicklungsländern, weil in europäischen Autos immer mehr Nahrungsmittel verfeuert werden?
Jean Ziegler jedenfalls schlägt Alarm. Die Welt sei "auf einem Weg in eine Katastrophe", sagte der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung kürzlich. Wenn die Produktion von Biokraftstoffen weiter - wie politisch gewollt - steige, werde sich Getreide, Mais, Zucker und Palmöl in nächster Zukunft noch weiter verteuern. Dann drohe ein direkter Wettlauf zwischen 800 Millionen Autobesitzern und den zwei Milliarden ärmsten Menschen der Welt. Für fünf Jahre, fordert Ziegler, müsse deshalb die Produktion von Biotreibstoff ausgesetzt werden.
Heftiger Widerspruch kommt vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). "Die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel sind vor allem auf die gestiegene Nachfrage aus China und Indien sowie auf Missernten zurückzuführen", sagt Generalsekretärin Petra Sprick. Zwar trage die Nachfrage nach Bioenergie zu den Verteuerungen bei. "Sie ist aber nicht der Hauptfaktor."
Sprick spricht aber auch von den zwei Seiten der Biosprit-Medaille: "Es ist richtig, dass die Ärmsten der Armen besonders betroffen sind, wenn Lebensmittelpreise steigen. Man darf aber nicht verkennen, dass steigende Rohstoffpreise für Entwicklungsländer auch ein positives Signal sind: In vielen Fällen wird sich ein unrentabel gewordener Anbau wieder lohnen." Mit der Biomasse verfügten arme Länder plötzlich über ein gefragtes Exportprodukt.
Die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) sieht die Politik indes im Biosprit-Dilemma. "Auf der einen Seite müssen wir etwas für den Klimaschutz tun", sagt DWHH-Experte Rafael Schneider. "Andererseits können wir die geplante Erhöhung der Beimisch-Quote für Biomasse mit unserer heimischen Landwirtschaft allein unmöglich schaffen." Seiner Ansicht nach müssten die deutschen Bauern "drei- oder sogar vierstöckig arbeiten", wenn der Biospritverbrauch allein mit deutscher Produktion gedeckt werden sollte. Zudem soll laut dem deutschen Klimaschutzplan im Jahr 2020 die Beimischung von Biokraftstoff 20% betragen. Auf dem deutschen Markt werde es also "ganz, ganz eng" - eine Einschätzung, die der Erzeugerverband bestätigt.
Bleibt der Import von Weizen-, Mais- oder Palmöl-Produkten aus Entwicklungsländern. Doch die dortige Landwirtschaft ist oftmals "nicht einmal in der Lage, die eigene Bevölkerung zu ernähren", sagt der Experte der Welthungerhilfe. Trotzdem werde vielerorts in den Anbau von Biosprit-Rohstoffen statt in die Ernährungslandwirtschaft investiert. "In Angola beispielsweise wird gerade die Anbaufläche für Palmöl verzehnfacht." Gleichzeitig belege das Land einen der letzten Plätze auf dem weltweiten Hunger-Index.
"Food first", verlangt deshalb die Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Die Erde ist begrenzt, die Ackerfläche ist begrenzt, und die Ernährung von Menschen muss Vorrang vor Tankfüllungen haben", sagt Greenpeace-Landwirtschaftexperte Martin Hofstetter. Ohnehin hätten Biokraftstoffe die Bezeichnung Bio gar nicht verdient: "Schließlich werden sie aus konventionell erzeugten Pflanzen und unter dem Einsatz ganz gewöhnlicher Mineralstickstoffe und Pestizide hergestellt."
Auch werde in vielen Regionen, etwa in Indonesien und Südamerika, in großem Stil abgeholzt, um die rasant steigende Nachfrage bedienen zu können. Von einer CO2-Neutralität des dort produzierten Diesel-Rohstoffs könne daher keine Rede sein. "Unsere Biosprit-Beimisch-Quote war also die schlechteste Klimaschutz-Idee, die wir haben konnten."
Soll Entwicklungsländern also die Biokraftstoff-Produktion untersagt werden, wie UN-Sonderberichterstatter Ziegler meint? "Diesen fahrenden Zug kann man nicht mehr anhalten. Man sollte ihn besser umlenken", meint Rafael Schneider von der Welthungerhilfe. Seiner Ansicht nach könnten die ärmsten Länder ihre Lebensbedingungen erheblichen verbessern, wenn sie mehr Biokraftstoff zur Verfügung hätten - für Fahrzeuge, aber auch für Licht oder Wasserpumpen.
Derzeit, so Schneider, werde die Erzeugung von Biomasse jedoch vor allem zur Energiesicherung in den USA und Europa genutzt. "Und wenn sie zur Verletzung des Menschenrechts auf Nahrung führt, müssen wir unsere hohen Beimischungs-Quoten ändern." In jedem Fall müssten die Industrieländer sicherstellen, dass die importierte Biomasse sozialverträglich und ressourcenschonend angebaut werde. Helfen könnten hier Handelsbestimmungen und Zertifikate.
DJG/apo
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November 09, 2007 03:25 ET (08:25 GMT)
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