Berlin (ots) - Wer bin ich - und wenn ja wie viele? Auf die eigene
Partei bezogen, kann wohl kein Pirat diese Frage beantworten. Die
einstiegen Überflieger wissen nämlich nicht, wer sie sind. Können sie
auch gar nicht. Denn sie wissen nicht, was sie tun. So fällt das
Zeugnis nach dem Bundesparteitag aus. Ein großer Teil des
Wahlprogramms war im Handumdrehen beschlossen. Eigentlich ein Erfolg.
Doch erst anschließend merkten viele Piraten, was sie da eigentlich
durchgewinkt hatten. Prompt ereiferte man sich über die zuvor
getroffene Entscheidung. Peinlich. Ähnlich verhält es sich bei der
neuen politischen Geschäftsführerin Katharina Nocun. Sie folgt auf
Johannes Ponader. Der glücklose, weil streitlustige Pirat wurde am
Ende von den eigenen Mitgliedern aus dem Amt gejagt. Nocun ist nun
die neue Piraten-Hoffnung. Mit der Wahl Nocuns, die manche an die
überaus erfolgreiche Marina Weisband erinnert, gehen die Piraten aufs
Ganze. Denn eigentlich wollte man, dass nach der monatelangen
Selbstzerfleischung im Bundesvorstand Ruhe einkehrt. Aus dem
Ponader-Desaster wollte man gelernt haben: Nicht noch einmal sollte
der Fehler passieren, jemanden ins Amt zu heben, der keine Erfahrung
mit Vorstandsarbeit hat. Doch Nocun hat diese Erfahrung nicht.
Demnach war sie die falsche Kandidatin - und nun wäre sie die falsche
Geschäftsführerin. Zur Farce geriet schließlich die Entscheidung
darüber, ob die Piraten künftig auch zwischen Parteitagen online
Beschlüsse treffen wollen. Die Debatte zog sich über drei Tage des
Parteitages hin. Immer wieder wurde versucht, eine Entscheidung zu
treffen. Bis dann doch wieder vertagt wurde. Und als das Thema am
Sonntag schließlich zur Abstimmung kam und sich keine nötige Mehrheit
für eine Aufnahme in die Satzung fand - da merkten die Piraten erst
im Nachhinein, dass sie dieses Mal ein anderes Abstimmungsverfahren
als sonst genutzt hatten. Schon wieder hatten sie ihre
Ahnungslosigkeit offengelegt.
Eigentlich sollte der Parteitag zum Befreiungsschlag werden. Und
Inhaltslosigkeit kann man den Piraten mittlerweile auch gar nicht
mehr vorwerfen. Doch ihre politischen Rivalen werden sie so nicht vor
sich hertreiben können. Der Piraten-Politikstil ist auf keinen Fall
besser als jener der etablierten Parteien. Und mittlerweile darf man
im Fall der Piraten aufgrund ihrer Beschlüsse durchaus von einer
Linkspartei ohne Internetanschluss sprechen. Denn das Versprechen,
die Partei der digitalen Mitbestimmung zu sein, überzeugt noch nicht
einmal genug Piraten, um es in die Satzung zu schreiben. Wenn die
Piraten aber nicht online zu jeder Zeit Beschlüsse fassen wollen,
dann ist ihr basisdemokratische Experiment gescheitert. Denn im
Grunde haben die 1100 Mitglieder in Bayern beschlossen, dass die
anderen fast 30.000 Piraten nicht gehört werden sollen. Eine neue
Umfrage sieht die Piratenpartei nun bei vier Prozent. Damit scheint
der Einzug in den Bundestag sogar wieder möglich. Nur: Was sollen die
Piraten dort?
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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