03.05.2013 19:08:58
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BERLINER MORGENPOST: Bayrische Selbstbedienung - Leitartikel von Jochim Stoltenberg
Im anlaufenden Bundestagswahlkampf ist das gerade bei der Diskussion über die Verschärfung der Strafen auch für reuige Steuerhinterzieher zu beobachten. Da war es Uli Hoeneß mit seinem blauäugigen Geständnis, auf Straffreiheit dank des letztlich aber doch nicht beschlossenen deutsch-schweizerischen Steuerabkommens gesetzt zu haben, der die Steuerdebatte dieser Tage emotional befeuert. Und in Bayern, wo im September auch noch ein neuer Landtag gewählt wird, schlagen die Wellen der Empörung hoch, weil Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete - mehrheitlich aus der CSU - nahe Verwandte in ihren Büros beschäftigt und aus der Parlamentskasse bezahlt haben.
Beide Fälle haben mit bayrischer Selbstgerechtigkeit zu tun. Konnte Franz Josef Strauß noch ziemlich ungestraft behaupten, die Uhren in Bayern gehen eben anders, können sich die Bayern Gott sei Dank nicht mehr alles erlauben. Hoeneß wird sich strafrechtlich verantworten müssen und die bayrischen Landtagsabgeordneten werden nicht länger ihre politische Arbeit zu einem Familienbetrieb ausbauen können. Denn es ist schon eine ziemliche Unverfrorenheit - und wohl beispiellos in deutschen Landen -, dass die Parlamentarier nächste Anverwandte beschäftigen dürfen. Und das, wie erst jetzt richtig öffentlich bewusst wird, auch noch ganz legal. Das macht die Affäre, die demnach eigentlich gar keine ist, noch schlimmer. Denn der bayrische Landtag hat sich selbst zu einer Art familiärer Selbstbedienungsladen degradiert. Im Jahr 2000 beschloss er großzügig lange Übergangszeiten für bereits beschäftigte Ehepartner, Kinder, Eltern und eingetragene Lebenspartner. Und bis heute ist erlaubt, Verwandte ab dem zweiten Grad, also Geschwister, einzustellen.
Auch wenn insbesondere CSU-Politiker betroffen sind, hat die SPD keineswegs die Wahlkampfvorlage bekommen, wie sie bislang meint. Denn auch Sozialdemokraten haben sich die Regelung zu Nutze gemacht, die legal, aber höchst anrüchig ist. Wenn Horst Seehofers Herausforderer Christian Ude von einer schweren bayrischen Regierungskrise fabuliert, übertreibt er maßlos. Und er schürt Emotionen, die über die in einem Wahlkampf erlaubten hinausschießen. Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob die "Mir san Mir"-Attitüde der CSU diese im September die ersehnte absolute Mehrheit kosten wird. Ein Preis allerdings steht schon fest. Was sich die Bayern geleistet haben, verschärft die Politikverdrossenheit im ganzen Land.
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