11.01.2014 15:59:59
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Badische Zeitung: Wirtschaftspolitik von Schwarz-Rot: Die Balance fehlt - Leitartikel von Hannes Koch
Freiburg (ots) - Auch die neue Bundesregierung ist eine
wirtschaftsfreundliche Regierung. Mit dem Kabinett und seinem
Programm können die Manager zufrieden sein. Ihre Geschäftsinteressen
werden berücksichtigt - so viel steht jetzt schon fest. Die
Prioritätensetzung ist eindeutig. Der Koalitionsvertrag von Union und
SPD beginnt mit den Kapiteln über die Wirtschaftspolitik. Nichts war
Merkel und Gabriel wichtiger als dieses Thema. Da steht vieles, was
Unternehmer gerne hören. Das Freihandelsabkommen mit den USA will die
Koalition vorantreiben. Die Wirtschaftsförderung genießt große
Beachtung - bis ins Detail werden Maßnahmen zugunsten aller möglichen
Technologien durchbuchstabiert, vom Leichtbau über Elektromobilität
bis zu Mikrosystemtechnik. Forschung und Entwicklung sollen mehr Geld
bekommen, Daten- und Verkehrsinfrastruktur verbessert werden. Ja,
hier und da will die Regierung auch neue Regulierungen einführen, die
die Handlungsfreiheit der Wirtschaft etwas einschränken. So dürfen
Aktiengesellschaften die Gehälter ihrer Vorstände künftig nicht mehr
hinter verschlossenen Türen bestimmen, sondern müssen es auf der
Hauptversammlung tun, in der Öffentlichkeit. Und natürlich ärgert es
viele Firmen, dass sie wegen des Mindestlohns bald höhere Lohnkosten
verzeichnen. Aber insgesamt überwiegt der Eindruck, dass diese
Regierung die Unternehmen in Ruhe arbeiten lässt. Hauptsache, sie
erfinden, produzieren, machen Gewinne und bieten Arbeitsplätze.
Dieses Wohlwollen gegenüber der Wirtschaft ist nicht neu. Es gehört
zu den Konstanten der deutschen Politik. Nicht umsonst sind die
beliebtesten Wörter im Koalitionsvertrag Verben wie "fortsetzen" und
"weiterentwickeln". Union und SPD bauen auf das deutsche
Wirtschaftsmodell und hoffen, dass es so, wie es ist, noch möglichst
lange weiterläuft. Aber reicht das? Richtig ist: Die Bürger wollen
essen, wohnen und konsumieren. Für die Befriedigung dieser
materiellen Bedürfnisse sorgen ganz wesentlich die kleinen und großen
Betriebe, indem sie produzieren, verkaufen und etwa zwei Drittel
ihrer Einnahmen als Lohn und Sozialbeiträge zugunsten der
Arbeitnehmer ausschütten. Andererseits können Unternehmen nicht
effizient arbeiten, ohne dass der gesellschaftliche Rahmen stimmt.
Sie sind daran gewöhnt, dass sie schnell und verlässlich
Baugenehmigungen bekommen, der Zoll ihre Vorprodukte nicht solange im
Freihafen festhält, bis das Schmiergeld geflossen ist, ihre
Beschäftigten über ausreichende EDV-Kenntnisse verfügen, um die
millionenteuren Produktionsstraßen zu bedienen, und die Autobahn frei
ist für die Lkw, die die fertigen Produkte abholen. Diese
öffentlichen Güter stellen Gesellschaft und Staat zur Verfügung. Zu
ihnen gehören Sicherheit in juristischer, sozialer und polizeilicher
Hinsicht, Bildung und Mobilität. Dazu steht im Koalitionsvertrag
wenig. Zwischen der Ökonomie und ihren gesellschaftlichen
Voraussetzungen fehlt die Balance. Ein Beispiel: Wie Ökonomen
vorrechnen, hat Deutschland seine Infrastruktur vernachlässigt.
Autobahnbrücken, Bahnhöfe, Straßen, Schulen - vieles ist marode und
notdürftig geflickt. Weil das Internet in ländlichen Regionen zu
langsam läuft, kann manch Handwerker potentielle Kunden nicht
erreichen. Deshalb immerhin wurde der CSU-Politiker Alexander
Dobrindt als Digital-Minister berufen. Trotzdem fehlen Dutzende
Milliarden Euro jährlich, die nötig wären, den Rückstand des Landes
aufzuholen. Woher das Geld kommen soll? Aus dem Wirtschaftswachstum,
hofft die Koalition. Davor, dass der Staat trotz der scheinbar guten
Finanzlage dramatisch unterfinanziert ist, verschließen Union und SPD
die Augen. Wenn der augenblickliche Boom vorbei ist, könnte sich
diese Sorglosigkeit der wirtschaftsfreundlichen Bundesregierung
rächen.
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