05.08.2013 22:17:58
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Badische Neueste Nachrichten: Ein Supergrundrecht
Karlsruhe (ots) - Die Euphorie war groß. Als vor bald einem
Vierteljahrhundert erst die Berliner Mauer und dann der gesamte
kommunistische Ostblock in sich zusammenfiel, rief der amerikanische
Historiker Francis Fukuyama voller Begeisterung "Das Ende der
Geschichte" aus. Die liberale Demokratie habe auf ganzer Linie
gesiegt, so seine These, sie sei alternativlos, da sie die
Grundrechte der Bürger schütze, für Rechtsstaatlichkeit sorge und auf
freie Marktwirtschaft setze. Tatsächlich aber ging die Geschichte
anders weiter, als sich dies Fukuyama und die anderen liberalen
Vordenker damals vorstellen wollten. Spätestens mit den
Terroranschlägen des 11. September 2001, mit denen das islamistische
Terrornetzwerk Al Qaida der westlichen Welt den Krieg erklärte,
existierte ein völlig neues Bedrohungsszenario. Die größte Gefahr
ging nicht mehr von Staaten und ihren hochgerüsteten Armeen aus,
sondern von lose miteinander verbundenen Terrorzellen und bislang
nicht auffällig gewordenen Selbstmordattentätern. Die Antwort auf
diese völlige neuen Herausforderungen sind gänzlich neue
Geheimdienstaktivitäten, wie die jetzt von dem früheren
US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden enthüllten Berichte über
die Abhöraktionen der NSA - auch auf deutschem Boden - belegen. Um
ihre Bürger zu schützen und rechtzeitig über geplante Terroranschläge
Bescheid zu wissen, nutzen die Dienste die modernste Technik, um
Kommunikationsdaten zu sammeln, zu speichern und auszuwerten. Auch
wenn es sich dabei nur um die sogenannten Metadaten handelt, können
damit doch Netzwerke erstellt und ungewöhnliche Aktivitäten
bestimmter Personen erkannt werden. Alles mit dem Ziel ein zweites
11. September zu verhindern. Unfassbar und erschreckend aber ist das
Ausmaß der durch Snowden bekanntgewordenen Geheimdienstaktivitäten.
Von 500 Millionen Datensätzen pro Monat - mehr als 15 Millionen pro
Tag - allein durch den BND ist die Rede, die NSA kann dank der
Software "XKeyscore" in Echtzeit den Mail-Verkehr verfolgen und ein
Lagebild über die Kommunikation eines potenziellen Verdächtigen
erstellen. Der BND, wird die Regierung nicht müde zu behaupten, halte
sich dabei an deutsches Recht und an die strengen Datenschutzgesetze,
überwacht werde nur der ausländische Fernmeldeverkehr, nur in
Ausnahmefällen würden Daten über Deutsche an die NSA weitergereicht.
Doch die Zweifel bleiben. Die schiere Masse der Daten, anlasslos und
ohne Verdacht gesammelt sowie ohne rechtliche Grundlage gespeichert,
lädt zum Missbrauch ein, dank der modernen Technik wäre es ein
Leichtes, die Daten auch für andere Zwecke zu verwenden. Auch
unbescholtenen Bürgern muss bewusst sein, dass sie jederzeit
überwacht und als Beifang in die Maschen der Geheimdienste geraten
können. Das aber steht im klaren Widerspruch zum unverletzlichen
Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses des Artikels10
Grundgesetz. Und die Regierung will von all dem nichts gewusst haben,
der für die Verfassung zuständige Innenminister spricht gar vom
"Supergrundrecht Sicherheit", als ob dies die Verletzung anderer
Grundrechte rechtfertigt. Die Welt ist seit dem Fall der Berliner
Mauer nicht sicherer geworden, weltweit geht gerade die Angst vor
neuen Anschlägen um. Nur: Die Komplettüberwachung der Bürger schafft
keine hundertprozentige Sicherheit, der Preis wäre viel zu hoch. Denn
schon Francis Fukuyama wusste: Die liberale Demokratie ist vor allem
deshalb so erfolgreich, weil sie auch die Abwehrrechte des Bürgers
gegen einen übermächtigen Staat garantiert. Ohne Sicherheit keine
Freiheit, wohl wahr, aber ohne Freiheit auch keine Sicherheit.
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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
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