02.06.2008 18:03:00

AUSBLICK/EZB-Leitzins vorerst bei 4,00% eingefroren

Von Peter Trautmann Dow Jones NEWSWIRES FRANKFURT (Dow Jones)--Wenn sich der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag zu seinen Beratungen in Frankfurt trifft, dann werden die Festivitäten zum zehnjährigen Jubiläum der Institution und der damit verbundene Blick auf eine bisher erfolgreiche Geschichte nur noch ein Randthema sein. In der aktuellen geldpolitischen Realität grüßen Inflationsraten auf Rekordniveau und Anzeichen für eine deutliche Konjunkturabkühlung. Alles andere als ein unveränderter Leitzins von 4,00% wäre angesichts des schwierigen Umfelds eine Überraschung.

Hohe Inflation verbietet Zinssenkung Die noch vor einiger Zeit zur Jahresmitte erwartete Zinssenkung verbietet sich inzwischen aufgrund des unvermindert starken Inflationsauftriebs in der Eurozone. So ist die Teuerung auf Verbraucherebene vor dem Hintergrund der jüngsten Preisentwicklung bei Öl und Nahrungsmitteln im Mai wieder auf 3,6% gestiegen. Dies ist nicht nur die höchste Jahresrate seit Einführung des Euro, der Wert liegt auch in etwa doppelt so hoch wie ihn die EZB-Preisstabilitätsnorm mit einer Inflationsrate von knapp 2% vorsieht.

   Bankökonomen rechnen damit, dass vorerst keine Entlastung beim Preisdruck zu erwarten ist. So sagen die Experten der Bank of America oder der Commerzbank für die kommenden Monate einen weiteren Anstieg der Jahresinflation in Richtung 4,00% voraus. Damit werde zwar die Spitze der Teuerungsentwicklung erreicht, doch Inflationsraten von unter 3% dürften erst wieder 2009 verzeichnet werden, heißt es dazu. Immerhin sind sich die meisten Experten einig, dass Zweitrundeneffekte - vor allem deutliche Steigerungen bei Löhnen und Gehältern - ausbleiben werden.

Experten erwarten Aufwärtsrevision bei EZB-Inflationsprojektionen Von Interesse werden diesbezüglich die neuen Inflationsprojektionen der EZB sein, die Notenbankpräsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag im Rahmen seiner Erläuterungen zum Zinsbeschluss vorstellen wird. Weithin wird erwartet, dass die März-Vorhersagen der EZB nach oben revidiert werden. So wird unter anderem darauf verwiesen, dass die in den Projektionen unterstellten und auf Terminkursen basierenden Ölpreise nunmehr um 25% höher anzusetzen seien.

   Für 2008 könnte die Inflations-Projektion damit von 2,9% auf bis zu 3,5% angehoben werden, für 2009 von 2,1% auf bis zu 2,5%, meint Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert mit Blick auf den Mittelwert des jeweiligen Projektionsbandes. Damit würde die Teuerung in diesem Jahr erheblich über jenen 2,25% liegen, die im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre verzeichnet worden sind und die den Ruf der EZB als erfolgreiche Inflationsbekämpferin begründet haben.

   Vor diesem Hintergrund sind zuletzt seitens verschiedener EZB-Offizieller auch die Warnungen vor den Inflationsrisiken lauter geworden. Während EZB-Präsident Trichet noch diplomatisch Aussagen wiederholte, die EZB werde alles Nötige tun, um die Inflation zu bekämpfen, sprach Bundesbankpräsident Axel Weber offen von der Option einer Zinserhöhung. An den Terminmärkten ist ein solcher Schritt - um 25 Basispunkte - zu Jahresende sogar mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eingepreist.

Eurozone-Konjunktur dürfte sich deutlich abkühlen Dass es nach Einschätzung der meisten geldpolitischen Beobachter nicht soweit kommen dürfte, liegt vor allem am drohenden konjunkturellen Abschwung. Zwar ist das Wirtschaftswachstum in der Eurozone im ersten Quartal dieses Jahres unerwartet gut ausgefallen, doch weisen inzwischen fast alle Frühindikatoren auf eine kräftigere Wirtschaftsabkühlung hin. Angesichts der Finanzkrise, einer drohenden US-Rezession, der Euro-Stärke und der hohen Rohstoffpreise überrascht dies nicht. Außerdem sprechen nach Ansicht vieler Experten die anhaltenden Verspannungen am Geldmarkt gegen Zinserhöhungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

   Die zuletzt aufgekommene Konjunkturskepsis sollte auch in den EZB-Projektionen zum Wirtschaftswachstum zum Ausdruck kommen. Zwar dürfte die Projektion für das Wachstum in diesem Jahr aufgrund des starken ersten Quartals leicht von 1,7% auf 1,8% nach oben revidiert werden, meint Klaus Baader von Merrill Lynch, doch für 2009 drohe damit ein umso stärkerer Absturz, dem die EZB in ihrer Projektion Rechnung tragen müsse. Baader erwartet dabei eine Abwärtsrevision der März-Schätzung von 1,8% auf bis zu 1,2%.

   Zusammen mit der im kommenden Jahr wieder niedrigeren Inflation ergibt sich hieraus nach Einschätzung vieler Experten durchaus Zinssenkungspotenzial für die EZB. Der neuesten Umfrage von Dow Jones Newswires zufolge erwarten dabei 27 von 50 befragten Ökonomen, dass der EZB-Leitzins bis zum Ende des ersten Quartals 2009 unter dem gegenwärtigen Niveau liegt. Allerdings sagen auch 20 voraus, dass sich die EZB bis dahin zinspolitisch nicht bewegen wird. Der Anteil der Experten, die bis zum kommenden Frühjahr keine Lockerung der Geldpolitik erwarten, hat damit deutlich zugenommen.

-Von Peter Trautmann, Dow Jones Newswires, +49 (0) 69/297 25-313 peter.trautmann@dowjones.com DJG/ptt/kth (END) Dow Jones Newswires

   June 02, 2008 12:00 ET (16:00 GMT)

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