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Euro am Sonntag-Interview 23.08.2015 03:00:35

Ariane de Rothschild: "Warren Buffett ist ein guter Mensch"

von Gisela Baur, Euro am Sonntag

Ariane de Rothschild zählt in Europa zu den einflussreichsten Frauen in der Finanzbranche. Nach ihrer Heirat mit Baron de Rothschild übernahm sie zunächst die Verantwortung für die Rothschild-Weingüter, die Stiftungsarbeit und das Privatvermögen der Familie. Seit Februar ist sie zudem Chefin der Edmond de ­Rothschild Bankengruppe.

€uro am Sonntag: Baronin de Rothschild, wollten Sie immer schon Bankerin ­werden?
Ariane de Rothschild:
Meine Eltern waren beide immer unternehmerisch tätig. Zu jedem Mittag- oder Abendessen wurde über Geschäfte, Industrie, Handel gesprochen. Das wächst in einem. Mit 18 Jahren war ich während eines Praktikums in einem Handelsraum einer Bank. Und ich wusste sofort: Das ist meine Welt.

Warum?
Ich liebe die Energie, den Kontakt, die extreme Spannung, die Geschwindigkeit. Man ist entweder dafür gemacht oder nicht. Nirgendwo sonst bekommen Sie so schnelles Feedback zu Ihrer Arbeit: Wer richtig liegt, gewinnt, wer falsch liegt, wird bestraft. Es gibt nichts dazwischen.

Als Chefin von Edmond de Rothschild legen Sie ebenfalls ein hohes Tempo vor. Sie strukturieren die Gruppe gleich kräftig um. Warum?
Wir haben nicht die Absicht, die Zahl der Mitarbeiter zu verringern. Die Veränderungen, die ich angestoßen habe, sollen die Performance und die Beschäftigung sichern.

Hat sich das Geschäft einer Privatbank denn in den letzten Jahren verändert?
Aber natürlich, ganz grundlegend. Bisher waren Banken eine unumgängliche Verbindung zwischen Sparern und der Wirtschaft. Aber mehr und mehr - besonders seit der Finanzkrise - gehen Anleger, Unternehmen oder Versicherungen direkte Wege: Über Crowdfunding, Internetportale und unglücklicherweise auch über Schattenbanken.

Wächst hier eine neue Konkurrenz für Sie und Ihre Finanzgruppe heran?
Ja, wir spüren das. Wir haben beispielsweise eine lange Tradition in Private Equity. Darauf konzentrieren sich nun aber nicht nur immer mehr andere Banken, gleichzeitig machen viele reine Private-Equity-Firmen auch immer mehr Bankgeschäfte. Und je nach Rechtsform können sie weitgehend selbst entscheiden, ob sie sich der geltenden Bankenregulierung unterwerfen wollen oder nicht. Wir als Vollbank müssen aber alle Regeln wie Stresstest, Basel III, die Liquiditätsanforderungen einhalten.

Dennoch wollen Sie an dem Status der Vollbank festhalten. Warum?
Wir beklagen uns oft über die internen Kontrollen und externen Regulie­r­un­gen. Aber wir wollen unseren Kunden Sicherheit anbieten - und eine große Bandbreite von Dienstleistungen. Wir wollen nicht auf einige spezielle ­Lösungen limitiert sein.

Viele andere europäische Banken entlassen massenhaft Mitarbeiter und begründen schlechte Zahlen gern mit der neuen Regulierung nach der Finanzkrise.
Natürlich sagen wir Banker jetzt, wir seien zu stark reguliert. Und richtig ist auch, dass es damit sehr schwer ist, die Geschäfte wieder anzuschieben. Doch die meisten der Maßnahmen sind sinnvoll und die starke Reaktion der Regulierer auf die Finanzkrise ist wohl normal.

Ist die Krise denn endgültig über­wunden? Die Börsen haben ja weltweit kräftig zugelegt.
Nein, gar nicht, wir tanzen immer noch auf einem dünnen Seil. Zwar haben Anleger an den Börsen in den vergangenen Jahren sehr gut verdient. Dennoch sehe ich, dass einige unserer Klienten lieber in Cash anlegen. Sie sind vorsichtig - genau wie ich. Denn die Welt ist immer noch in einem fragilen und volatilen ­Zustand.

Weshalb?
Weil die Welt einen sehr grundlegenden Strukturwandel erlebt. Wir haben es nicht nur mit einer Krise, sondern vielmehr mit fundamentalen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu tun. Was bedeutet es, wenn in vielen Ländern jeden Tag mehr und mehr Menschen vom Land in die Stadt ziehen? Wie sollen wir uns darauf vorbereiten, wenn die Lebenserwartung bald bei 120 Jahren liegt, wie es die Weltbank für möglich hält? Wie bekämpfen wir in Zukunft die Arbeitslosigkeit?

Ist Letzteres nicht eher Folge einer schwachen Konjunktur?
Ja, derzeit sind die hohen Arbeitslosenzahlen in einigen Ländern auch das Ergebnis der massiven Konjunkturverlangsamung. Aber gleichzeitig zeigen sie einen tiefgreifenden Wandel: Die neuen Technologien, vor allem die IT, haben die Strukturen der Wirtschaft grundlegend verändert. Der Wandel ist vielleicht am ehesten mit der industriellen Revolution vergleichbar. Wir müssen jetzt ganz neue Jobs finden, wenn wir die Höhe der Arbeitslosigkeit anhaltend verringern wollen. Erziehung und Bildung wären hier die Antwort.

Was raten Sie Ihren Kunden in so einer Zeit?
Ich sehe meine Aufgabe für die Familie und als Berater für meine Kunden nicht nur darin, Vermögen zu verwalten. Die Schlüsselfrage bei jeder Investition ist für mich: Welche Effekte hat das für die Wirtschaft und für die Menschen? Wie können wir positiv zum Wandel beitragen?

Das heißt konkret?
Sowohl als Banker als auch als Rothschild-Familie investieren wir viel in Private Equity. Wir sind seit etwa 15 Jahren in Biotechnologie engagiert. Dort versuche ich als Investor meinen Einfluss zu nutzen und ermutige die Manager, auf zukunftsträchtige Technologien zu setzen - zum Beispiel auf die DNA- oder Proteinanalyse. Das ist für mich nachhaltiges Investieren.

Ihre Finanzgruppe bietet Kunden auch nachhaltige Fonds an, die besonders auf die soziale und ökologische Ausrichtung der ­Unternehmen achten. Bringt das etwas?
Wir sehen es als unsere Aufgabe, eine fairere Welt zu schaffen. Doch ich glaube nicht daran, dass wir die Schere zwischen Arm und Reich schließen ­können, indem wir den Reichen etwas wegnehmen und es den Ärmeren geben - oder einfach als Privilegierte ganz viele wohltätige Schecks ausstellen. Investitionen sind ein wichtiges Werkzeug. Sie sind eine Möglichkeit, zu geben und zu teilen.

Dann ist das Ziel dieser Fonds ein soziales und kein finanzielles.
Nein, beides ist wichtig. Bei vielen Projekten verringert der soziale Nutzen zwar kurzfristig den finanziellen Ertrag. Langfristig sind sozial ausgewogene Investitionen aber rentabler. Davon bin ich überzeugt. Sie können das am Beispiel von Firmen sehen, die sich stark für kulturelle Vielfalt oder für mehr Frauen unter den Mitarbeitern einsetzen. Sie arbeiten effizienter, kreativer, dynamischer - und liefern bessere Ergebnisse ab.

Neben der Bank gibt es auch zehn Rothschild-Stiftungen. Sind beide Bereiche für Sie zwei Seiten derselben Medaille?
Ja natürlich. Einfach nur Banking zu betreiben erscheint mir genauso unzureichend, wie einfach nur Geld zu verschenken. Das Paradoxe ist, dass wir auf dieser Welt mehr Geld haben als jemals in der Geschichte und trotzdem gibt es unglaublich viel Armut, Hunger und Krieg. Wir müssen also in einer schlaueren Weise helfen als nur mit Geld. Wir haben ein wohl einmaliges Netzwerk aufgebaut - auch zu Regierungen und Unternehmen - und sehen uns als Inkubator für neue Ideen.

Geld allein hilft also nicht?
Ich habe das mit Warren Buffett diskutiert, der ja so gut wie sein ganzes Vermögen spendet. Er sagt: "Ich mache, was ich am besten kann. Ich verdiene viel Geld und gebe es anschließend weg." Ich widerspreche. Ich will beides auf einmal tun: Geld verdienen und gleichzeitig die Welt verbessern.

Hat Sie Buffett beeinflusst?
Er hat meinen Glauben an die Menschen gestärkt. Viele sehen ihn als Investor oder das Orakel von Omaha. Für mich ist er einfach ein guter Mensch. Es gibt so viele, die abheben, wenn sie reich oder mächtig werden. Er nimmt sich selbst nicht allzu ernst. Er hat keinerlei sozialen Dünkel, er geht überall hin - ob Luxushotel oder Kneipe. Es geht um die Begegnung mit den Menschen, nicht um das Umfeld. Das verbindet uns.

So stellt man sich die Baronin de Roth­schild nicht vor. Was hat Sie ­geprägt?
Viel kommt von meinen Eltern und aus meiner Kindheit. Ich bin in Afrika aufgewachsen. Dort waren wir natürlich reich, weil wir ein schönes Haus hatten. Aber ich war stän­dig auf der Straße oder in den Slums bei Freunden. Es war eine extrem freie Jugend.

Das klingt unbeschwert. Anders als die Bilder, die wir aus Afrika kennen.
Bei allen Problemen - der grundlegende Wachstumstrend Afrikas stimmt. Der Konsum steigt, die Infrastruktur wird aufgebaut und die unternehmerische Kreativität ist beeindruckend. Ich glaube an die Menschen, wie ich sie in meiner Kindheit erlebt habe. Bis heute vermisse ich diesen Mix aus viel Bodenständigkeit und einer extrem spontanen Art zu leben.

In Paris haben Sie Ihren Mann Benjamin de Rothschild kennengelernt. ­Hatten Sie Respekt vor dem Namen?
Einer der Händler, mit denen ich arbeitete, brachte ihn zu einem Treffen mit. Aber ich wusste nicht, wer er ist. Er wurde mir nur als Benjamin vorgestellt. Schon vorher hätte ich ihn kennenlernen sollen, weil er ein wichtiger Kunde von uns war. Aber ich hatte keine Lust. Wenn Sie in den Währungsmärkten arbeiten, so wie ich damals, dann ist das eine echte Obsession. Der Markt ist 24 Stunden offen und es bleibt nur sehr wenig Zeit für persönliche Kontakte. Wahr ist, dass ich nicht so wild darauf war, Benjamin zu heiraten. Wir haben lange gewartet. Ich wusste, dass dann eine Liste von Verpflichtungen auf mich zukommt.

Empfinden Sie den Namen Rothschild manchmal auch als eine Belastung?
Manche sehen es sicher als nettes Privileg an. Es ist aber eher so etwas wie eine permanente geistige Fixierung. Es geht darum, ein ähnliches Niveau zu erreichen wie die vergangenen Generationen. Ich will nicht unbedingt in die Geschichtsbücher kommen, aber ich spüre eine Pflicht, etwas abzuliefern. Ich will die Werte der Familie erhalten und weiterentwickeln - nicht nur die materiellen - und sie an die kommende Generation weitergeben. Das ist ein sehr starker Druck.

Wie lösen Sie sich von diesem Druck?
Wirklich loslassen kann ich, wenn ich nach Afrika zurückgehe. Es ist ganz weit weg. Es gibt kein Telefon, es ist heiß. Ich kümmere mich um meinen Gemüsegarten, ich koche, ich putze. Meine Kinder staunen immer, dass ich das alles kann. Wenn ich Abstand brauche, dann gehe ich zurück in den Busch.

Wurzeln
in Afrika

Ariane de Rothschild wurde 1967 als Tochter einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters in El Salvador geboren. Einen Großteil ihrer Kindheit verbrachte sie in Zaire, der heutigen Demokratischen ­Republik Kongo. Nach einem MBA- Abschluss der Pace University in New York arbeitete sie dort zunächst als Händlerin für die Société Générale, bevor sie für die AIGVersicherung nach Paris ging. Dort lernte sie Baron Benjamin de Rothschild kennen, den sie 1999 heiratete und mit dem sie vier Töchter hat.

Wurzeln
in Frankfurt

Die Finanzdynastie der Rothschilds geht zurück auf den Münzhändler Mayer Amschel Rothschild (1744-1812) aus Frankfurt. Seine fünf Söhne schufen ein Bankimperium mit Filialen in London, Paris, Wien und Neapel. 1923 wurde die Bank Edmond de ­Rothschild in der Schweiz und 1983 Rothschild & Cie in Frankreich gegründet. 2003 wurden der französische und der britische Arm des Geschäfts in der Holding Paris Orléans zusammengefasst.

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