03.10.2014 20:22:58

Allg. Zeitung Mainz: Mut - Kommentar zum Tag der Deutschen Einheit

Mainz (ots) - Wer wissen will, wie es um Deutschland steht, fährt nach Wiesbaden, an den Gustav-Stresemann-Ring. Dort, im Statistischen Bundesamt, schlummern jene Datensätze, die regelmäßig, vor allem aber am 3. Oktober, bemüht werden, wenn es um die Vermessung der Nation geht: Kaufkraftentwicklung, Reiseverhalten, politische Teilnahme, Gehälter, Geburtenraten, und, und, und. Knapp 25 Jahre nach dem Fall der Mauer stellt man beim Betrachten der Kennzahlen aus Wiesbaden zweierlei fest: Zum einen gibt es tatsächlich noch messbare Unterschiede zwischen Ost und West. Zugleich aber finden sich absolut vergleichbare Diskrepanzen auch zwischen Oberbayern und dem Emsland oder dem Hochtaunuskreis und Teilen der Westpfalz. Ist die Einheit also vollendet? Wird sie nun, ein Vierteljahrhundert nach dem Zusammenbruch der DDR, zum exklusiven Thema der Historiker? Die Antwort lautet: Nein. Der Fall der Mauer war zuallererst dem Mut derjenigen zu verdanken, die in Leipzig und anderen Städten auf die Straßen gingen. Ihnen ist bis heute kein Denkmal gesetzt worden. Damit darf man sich gerne noch ein wenig Zeit lassen. Wichtiger ist, dass wir uns immer an die Motive der Mutigen von damals erinnern: Freiheitswille, Solidarität, das bewusste Inkaufnehmen von Risiken, das Wissen, das Volk und somit der Träger aller Macht zu sein. Dieses Wissen ist der wahre Kern der Einheit und nicht die jetzt wieder hochroutiniert heruntergespulte politische Nabelschau. Die Wende war kein Verwaltungsakt. Diese Botschaft des 9. November darf auch am 3. Oktober nie in Vergessenheit geraten. Nur von ihr führt eine lebendige Spur direkt in unsere Gegenwart, die wir, so scheint es, dringender denn je brauchen. Bei mancher aktuellen Debatte - vor allem der um die Aufnahme von Flüchtlingen - wünscht man sich den Geist von 1989 zurück. Mehr Entschlossenheit, weniger Kleingeist - mit dieser Devise ist zwar noch kein einziges Problem gelöst. Aber der Weg hin zur Lösung wird damit in vielen Fällen überhaupt erst begehbar. Wer eine mutige Politik will, muss selbst mutig sein. Wegen dieser zentralen Erkenntnis darf der Geist der Einheit niemals völlig in den Geschichtsbüchern verschwinden, sondern muss uns weiter wach halten. Ein Geist, der einen Unrechtsstaat zu Fall bringen konnte, kann noch viele weitere Berge versetzen. Und nur ein Deutschland, das so denkt, kann das starke Deutschland sein, das sich mancher Redner derzeit so gerne wünscht. Ob die Welt dieses Deutschland gebrauchen kann? Das liegt an uns. Weil nur wir entscheiden, welches Volk wir sein wollen. An jedem Tag, nicht nur am 3. Oktober.

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Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz Florian Giezewski Regionalmanager Telefon: 06131/485817 desk-zentral@vrm.de

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