07.12.2015 22:47:37

Allg. Zeitung Mainz: Brüchig / Kommentar zu Frankreich von Reinhard Breidenbach

Mainz (ots) - Es kam, wie es kommen musste. Wohl wahr: Nach dem Schwarzen Freitag ist Frankreich so verunsichert wie seit dem Indochina-Desaster, vielleicht sogar seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das spielt dem Front National, in dem sich Rechtspopulisten, aber auch stramme Rechtsextremisten tummeln, in die Karten. Aber selbst ohne den 13. November hätte Marine Le Pens Truppe womöglich an der Spitze gelegen in dieser ersten Runde der Regionalwahl. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, dass zwar die Großartigkeit der "Grande Nation" in puncto Kultur und savoir-vivre ungebrochen ist, dass das Land militärisch auch noch immer eine Weltmacht repräsentiert, dass all dies jedoch sehr brüchig ist, weil es in der Sozial-, Industrie-, und Arbeitsmarktpolitik miserabel läuft. Brutal ausgedrückt: Frankreich lebt derzeit über seine Verhältnisse und kann sich zu einschneidenden Reformen nicht aufraffen. Das liegt in starkem Maße daran, dass die Präsidenten Hollande, Sozialist, und Sarkozy, Rechtskonservativer - böse Zungen sagen: Opportunist -, zu den schwächsten der vergangenen Jahrzehnte zählen. Einfachen Gemütern und wütenden Protestwählern mag Marine Le Pen dann tatsächlich als Alternative erscheinen. Eine Schreckensvorstellung. Le Pen, das ist eine Wölfin, die Kreide gefressen hat, um den blanken Rassismus in ihrer Partei zu kaschieren. Ob es nun klug ist, wenn sich Sozialisten und Konservative in der zweiten Wahlrunde zusammenschließen, um Le Pen zu verhindern, erscheint zweifelhaft. Sie würde womöglich zur Märtyrerin und noch mehr Zulauf bekommen. Ein charismatischer Sozialist oder Konservativer mit Mut und Ideen müsste her, um 2017 Präsident zu werden. Der anständige Teil Europas drückt dafür die Daumen.

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