09.12.2015 22:37:37

Allg. Zeitung Mainz: Armselig / Kommentar zu Beate Zschäpe von Reinhard Breidenbach

Mainz (ots) - Man könnte es sarkastisch formulieren: Nach schwerer Kindheit räumt brave Hausfrau in brauner WG ordentlich die herumliegenden Pistolen in die Schränke, ist entsetzt, wenn sie von Morden hört, geht aber nicht zur Polizei, aus Angst vor Liebesentzug. Beate Zschäpe will das Image der im Hintergrund die Strippen ziehenden eiskalten Nazibraut loswerden. Das ist ihr gutes Recht. Es ist ein prägendes Kennzeichen des demokratischen Staats, dass Angeklagte nahezu alles dürfen: schweigen, lügen, Opfer beleidigen. Letzteres hat, gewollt oder nicht, Zschäpe getan. Sie besitzt nicht einmal den Mumm, einen vorgefertigten Text selbst vorzutragen. Und ihre Pseudo-Entschuldigung ist eine Farce. Opfer-Angehörige sollen sie nicht mit Fragen belästigen. Armselig ist das, auch feige. Da will jemand den Kopf aus der Schlinge ziehen, aber möglichst schmerzfrei. Wohlgemerkt: Das ist ihr gutes Recht. Aber es wäre das gute Recht des Gerichts, das Geschehene völlig anders zu sehen; ob es so kommt oder nicht, wird sich erst im Urteil zeigen, es gilt die Unschuldsvermutung. Betrachtet man die deutsche Rechtsgeschichte der vergangenen vierzig Jahre, dann hat Zschäpe gute Chancen. Christian Klar und Stefan Wisniewski, dominierende Figuren der RAF, kamen trotz Verurteilung wegen vielfacher Morde nach 26 respektive 21 Jahren frei. Ihr Kumpan Peter-Jürgen Boock tingelte nach nur 17 Jahren Haft durch Talkshows. Es geht nicht darum, mit harten Strafen Rache zu üben. Auch ist der Anspruch ehemaliger Täter auf Resozialisierung unbestritten. Aber 17 oder wenig mehr als 20 Jahre Haft für mehrere Morde, das ist schändlich wenig. Es ist ungerecht. Das Zschäpe-Urteil ist mit Spannung zu erwarten.

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