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21.09.2018 22:43:44

Allg. Zeitung Mainz: Am Abgrund / Friedrich Roeingh zur Lage der SPD

Mainz (ots) - Der Zuspruch, den eine Partei am wenigsten gebrauchen kann, ist Mitleid. Arme SPD! Die SPD aber hat sich ihr Mitleid redlich verdient. Die bedeutendste Partei der deutschen Demokratiegeschichte, die aufrichtigste Volkspartei der Nachkriegszeit, strebt zielgerichtet ihrem fortschreitenden Bedeutungsverlust zu. Einer politischen Marginalisierung, die wir noch lange bedauern werden. Die SPD hat nicht nur das Problem, dass sie kaum noch Antworten auf die Probleme unserer Zeit findet. Sie schafft es auch noch instinktsicher, die Probleme anderer Parteien zu ihren eigenen zu machen. Der Fall Maaßen ist dafür das beste Beispiel. Verloren haben in dem Machtspiel um den Verfassungsschutzpräsidenten zwar alle Beteiligten dieser Regierung, aber niemand so sehr wie die SPD. Die Kanzlerin hat erneut ihre verstörende Schwäche unter Beweis gestellt. Bis zu Merkels Ablösung müsste man die Vokabel Richtlinienkompetenz eigentlich aus der Verfassung streichen. Horst Seehofer hat bewiesen, dass er bis zu seinem Abtritt - hoffentlich nach der Bayernwahl - alles mit in den Abgrund zieht, was sich ihm in den Weg stellt. Die SPD aber hat gleich einen doppelten Ausfall hingelegt. Sie hat im Fall Maaßen auf brutale Weise vorgeführt bekommen, dass die alte Rechnung nicht mehr aufgeht: Wer den Rücktritt einer Figur erzwingt, hat das Machtspiel gewonnen. Gewonnen hat in diesem Drama, von dem sich der Bürger mit Grausen abwendet, allein die AfD. Zugleich sind wir Zeugen eines ganz persönlichen Ausfalls geworden: dem Ausfall der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles. Wie eine Anfängerin hat sie sich von Horst Seehofer in die selbst gestellte Falle locken lassen. Diese Panne ist auch nicht mehr zu heilen, wenn sich der Innenminister jetzt doch noch einmal gesprächsbereit zeigt. Die Genossen tun scheinbar alles dafür, um bei der Bayernwahl vom aktuell dritten Platz noch auf den fünften Platz durchgereicht zu werden. Und es wird nicht mehr lange dauern, bis ihr die Grünen bundesweit den Platz als stärkste linke Kraft streitig machen. Ganz zu schweigen von der Frage, ob die SPD im Osten Deutschlands jemals wieder ein Bein an die Erde bekommen wird. Da ist guter Ratschlag mehr als teuer. Wir haben nämlich bald den Glauben daran verloren, dass es in der SPD noch genügend Politiker gibt, die die Partei vor ihrem beschleunigten Absturz bewahren können. Figuren, die ihre Politik nicht nach der Befindlichkeit innerer Zirkel ausrichten, sondern an den Erwartungen von Facharbeitern, Krankenpflegern, Grundschullehrern, Polizisten und Rentnern.

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