02.09.2015 20:42:39

Aachener Zeitung: Wo ist Juncker? / Die EU muss die Flüchtlingsfragen beantworten / Kommentar von Peter Pappert

Aachen (ots) - Es ist schade, dass es vielen Menschen hierzulande so schwer fällt, sich darüber zu freuen, dass ihr Land einen guten Ruf hat - und zwar nicht nur bei ausländischen Handelsfirmen, Autokäufern oder Technikfreaks, sondern auch bei jenen, die in ihrer Heimat bedroht, verfolgt oder gefoltert werden. Ist es wirklich nur illusionär, sich vorzustellen, dass langfristig diejenigen, die Menschen in Not helfen, besser dastehen als jene, die sich abschotten? Zwingen kann man natürlich niemanden, neben den aktuellen Schwierigkeiten auch die Chancen zu sehen. So oder so gilt: Das ökonomisch und politisch stabile Deutschland, das in den letzten Jahren wie kaum ein anderes Land (und auf Kosten anderer Staaten) von der Globalisierung profitiert hat, kann und darf sich den Schattenseiten der enger zusammenrückenden Welt nicht verschließen. Die Bundesrepublik tut das auch nicht - bei allen derzeitigen Problemen und Widerwärtigkeiten.

Verbindliche Quote

Berlin sollte sich dabei nicht länger auf das zwar geltende, aber völlig überholte sogenannte Dublin-Verfahren berufen. Danach ist für jeden Flüchtling dasjenige Land zuständig, in dem der Bewerber erstmals EU-Boden betritt. So werden die Hauptlasten ausgerechnet Italien und Griechenland aufgebürdet, zwei Staaten, die ohnehin genügend Probleme haben. Dermaßen rücksichtslos zu sein, kann sich eine Gemeinschaft nicht leisten. Sie muss schnell dafür sorgen, Athen und Rom zu entlasten, und die Sache selbst in die Hand nehmen. Die EU muss unter ihren Mitgliedern eine verbindliche Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen durchsetzen, die sich nach Bevölkerungszahl, Bruttosozialprodukt und Arbeitslosenrate richtet. Wenn sie das nicht schafft, kann sie alles Gerede über Gemeinsamkeit und solidarisches Miteinander sparen. Dass sich ausgerechnet die baltischen Staaten, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn dem verweigern, ist umso unverständlicher, als gerade diese Länder vor nicht allzu langer Zeit in die EU drängten, weil sie genau das wollten: Solidarität, Beistand, Unterstützung. Und aktuell fordern Polen und Balten dies verständlicherweise wieder ein angesichts russischer Großmachtansprüche und Moskauer Drohgebärden. Wenn die EU-Länder zudem die nationalen Asyl-Verfahren und -Standards vereinheitlichen und die Leistungen für Flüchtlinge EU-weit so weit wie möglich harmonisieren - umso besser. Die EU-Kommission könnte zum Wettbewerb der Menschlichkeit aufrufen, dürfte sich aber über die Resonanz darauf keine Illusionen machen. Realistischer ist leider, finanziell Druck auszuüben oder Anreize zu setzen.

Klare Prinzipien

Sich EU-weit auf sogenannte sichere Herkunftsländer zu einigen, mag sinnvoll sein. Nur entbindet es niemanden davon, sich jeden Fall genau anzusehen. Frauen aus Albanien, die vor männlicher Gewalt, Willkür und Zwangsheirat fliehen müssen, wird man mit derart pauschalen "Lösungen" jedenfalls nicht gerecht. Man wünscht sich zu alldem endlich(!) deutliche Worte von EU-Kommissionschef Juncker und dessen unbedingten Einsatz, diese Maßgaben auch durchzusetzen. Die EU-Staaten als Gemeinschaft und Deutschland im Besonderen müssen die Flüchtlinge so aufnehmen, wie es das eigene Werteverständnis erfordert: mit Sensibilität und Respekt für deren Kultur, Religion und Tradition, mit den Regeln von Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit und klarer Haltung gegen jeden religiösen oder patriarchalischen Zwang.

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Pressekontakt: Aachener Zeitung Redaktion Aachener Zeitung Telefon: 0241 5101-389 az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de

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