03.04.2015 18:37:39
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Aachener Zeitung: Kommentar Gesucht: Streitkultur! "Die" Medien und die Kommunikationsstörung Bernd Mathieu
Aachen (ots) - Die Kommunikation ist gestört. Das Misstrauen in
die Seriosität "der" Medien wächst. Man kann es daran erkennen, dass
"die" Medien fast nur noch in dieser Plural-Form erwähnt werden. Eine
Unterscheidung nach Fernsehen und Zeitung, nach Nachrichten auf dem
Smartphone und TV-Sendungen, nach einzelnen Zeitungstiteln und nach
Boulevard (also Straße) findet kaum noch statt. Der Absturz der
Germanwings-Maschine, die folgenden Spekulationen um die
Absturzursache, den mutmaßlichen Vorsatz des Copiloten sowie
voreilige Antworten auf nicht gestellte Fragen haben die Kluft
zwischen Medien und ihren Nutzern vergrößert. Viele Menschen sind
empört über ihrer Ansicht nach viel zu frühe Schuldzuweisungen. Darin
steckt durchaus Berechtigung, aber der Zorn der Gerechten sollte dann
auch diverse Staatsanwaltschaften, Airline-Manager und die Armada der
sogenannten Luftfahrt- und Psychologie-Experten treffen. Und, was
"die" Medien angeht: eben diejenigen, die in diesen Tagen, falls
überhaupt noch vorhanden, ihren Rest an Anstand komplett verloren
haben. Dass die meisten Einwohner von Montabaur, der Heimatstadt des
Copiloten und seiner Eltern, Journalisten verachten, kann angesichts
der gierigen Meute, die die Kleinstadt überfallen hat, niemanden
überraschen. Die Straße, in der die Eltern wohnen, musste wegen der
vielen Übertragungswagen gesperrt werden. Man hätte es von vornherein
tun sollen! Was aber sagt man zu dem Grundschullehrer, der in seinem
Reihenhaus in Montabaur über den Charakter und die Schulleistungen
seines Schülers Andreas plaudert, den er 1998 zuletzt gesehen hat?
Oder zu dem Nachbarn, der sich facettenreich über den 27-Jährigen
auslässt? Zu den Vereinsfreunden, die bereitwillig Fotos
herausrücken? Es sind nicht nur "die" Medien. Die Skepsis, der
Argwohn, die schroffe Ablehnung, sie reichen weit über die
Berichterstattung der Katastrophe hinaus und finden sich im
medienkritischen Alltag politischer Berichterstattung wieder. Medien
sind nach wie vor als Informationsvermittler ein Teil
funktionierender Demokratie. Sie sind auch in Zeiten, in denen das
traditionelle Sender-Empfänger-Modell in der Sekunden-Schnelligkeit
des Internets scheinbar außer Kraft gesetzt wird, nicht überflüssig
geworden. Vielen passt das nicht, und sie unterstellen der - so ihr
unverrückbares Beton-Weltbild - manipulierenden, unkritischen und
lügenden Journaille, sie würde die Realität inszenieren.
Selbstkritisch ist gewiss stets aufs Neue zu fragen, ob wir über
Politik oder über Darstellung von Politik berichten, über
Entscheidungen im Parlament oder Marketing auf den Laufstegen der
Geschwätzigkeit. Zum Beispiel. Aber sind Medien schon Hoforgane der
herrschenden Klasse, wenn sie nicht jeden Tag einen Politiker wegen
eines Skandals aus dem Amt jagen? Teilen der Medien und der
Gesellschaft ist die Streitkultur abhanden gekommen. Da fehlen die
Differenzierung und die Besonnenheit, die man braucht, um etwas zu
ändern und zu verbessern. Das erreicht man nicht mit pauschalen
Beschimpfungen und abstrusen Verschwörungstheorien. Das zerstört jede
Form von Dialog, schade. Dabei wäre er so nötig, um frische Luft in
die verkrusteten politischen Prozesse mit ihrer fatal
unterentwickelten Bürgerbeteiligung zu pusten.
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