05.06.2015 20:07:36
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Aachener Zeitung: "Kommentar": Alles oder nichts / Erdogan könnte im politischen Abseits landen / Amien Idries
Aachen (ots) - Man kann die derzeitige Situation des türkischen
Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gut mit der eines Pokerspielers
vergleichen, der "All In" gegangen ist. Der all sein Geld auf dieses
eine Blatt gesetzt hat und nun am Pokertisch steht und darauf wartet,
dass der Geber das vollständige Blatt aufdeckt. Der im Vorfeld alles
versucht hat, um das Spiel zu seinen Gunsten zu wenden und seine
Gegner zu manipulieren. Dessen Zukunft aber nun auf Gedeih und
Verderb vom Wahlergebnis am Sonntag abhängt. Denn auch wenn der
Präsident Erdogan am Sonntag gar nicht zur Wahl steht, geht es doch
fast nur um ihn. Als er 2014 vom Amt des Ministerpräsidenten in das
des Präsidenten wechselte, tat er das mit der Absicht, auch die
politische Macht von seinem alten auf sein neues Amt zu
transferieren. Um die für ein solches Präsidialsystem notwendige
Verfassungsänderung anzustoßen, benötigt man im Parlament eine
60-Prozent-Mehrheit, von der die AKP nach aktuellen Umfragen weit
entfernt ist. Wohl auch, weil viele Wähler die künftige Machtfülle
bei einem Präsidenten Erdogan skeptisch sehen, selbst wenn sie ihn
wegen seiner zurückliegenden wirtschaftspolitischen Erfolge schätzen.
Es ist also ausgerechnet Erdogans Allmachtsfantasie, mit der er das
Projekt Präsidialrepublik angegangen ist, die ihn nun ins politische
Abseits stellen könnte. Der "Sultan" war davon ausgegangen, er könne
mir nichts dir nichts eine Verfassungsänderung dekretieren und sieht
nun einer Zukunft als relativ schwacher Präsident entgegen. Eine
Rolle, mit der Erdogan sich nur schwer anfreunden dürfte. Die Angst
davor macht ihn zum Getriebenen. Im Wahlkampf, der für ihn als
amtierender Präsident eigentlich tabu ist, nahm er jeden nur
erdenklichen Termin wahr und übertrat viele Grenzen des politischen
Anstands. Vor allem in Richtung der prokurdischen HDP, von deren
Einzug ins Parlament viel abhängen wird. Die Angst vor der
politischen Bedeutungslosigkeit wird Erdogan auch nach der Wahl alles
Mögliche tun lassen, um seine Macht wiederzuerlangen. Die
Schlüsselrolle wird dabei der AKP zukommen. Es gibt Anzeichen dafür,
dass sich die Partei von ihrem Gründer emanzipiert. Diese Anzeichen
waren bereits vor der Wahl zu erkennen, sie dürften sich nach einer
Wahlschlappe verstärken. Sollte die AKP wirklich mit 41 Prozent rund
neun Prozentpunkte schlechter abschneiden als 2011, würde die
Verantwortung dafür wohl bei Erdogan gesucht und gefunden. Denn, so
erfolgreich Erdogan zu Beginn seiner Karriere war - er beschnitt etwa
die Macht des Militärs und begann Gespräche zur Lösung des Konflikts
mit den Kurden - so sehr schrumpfte sein politischer Nimbus zuletzt
auf einen einzigen Erfolgsfaktor: Wahlsiege. Niederlagen aber kosten
Loyalität. Gut möglich also, dass Erdogan sich verzockt hat, und der
morgige Sonntag den Anfang vom Ende der Ära Erdogan markiert.
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