30.12.2014 20:17:58
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Allg. Zeitung Mainz: Vom guten Despoten / Leitartikel zur Unteilbarkeit demokratischer Werte
Ein Hoch auf die Autokratie?
Mit einem Mal hat der Ruf nach den Autokraten Hochkonjunktur, nach den Assads, den Saddams und den anderen, die mit ihren Militärapparaten die Konflikte so schön unter dem Deckel gehalten haben. Ein Hoch auf die Despotie. Was für eine zynische Haltung. Unter dem Deckmantel des Pragmatismus sprechen wir anderen Menschen, deren Würde wir doch ebenfalls als unantastbar ansehen, die elementaren Menschen- und Freiheitsrechte ab. Das Hohelied auf die Autokraten ist nicht nur verwerflich. Es ist auch einfach nicht stimmig. Haben wir schon vergessen, wie viele Menschenleben Saddam Hussein oder die Assads auf dem Gewissen haben? Wie erfolgreich haben wir verdrängt, dass das wahabitische Herrscherhaus in Saudi-Arabien sowohl Al Kaida als auch den Islamischen Staat aufgepäppelt hat? In all diesen Fällen war mitnichten ein Demokratieexport das Problem, sondern der Waffenexport sowie die Bündnisinteressen der USA beziehungsweise des Westens im Kalten Krieg und im Verteilungskampf um Gas- und Ölquellen. Und macht uns Wladimir Putin nicht gerade vor, welch destruktive Kraft Autokraten aufbringen, wenn sie sich in ihren außenpolitischen Interessen gestört fühlen oder innen- und wirtschaftspolitisch unter Druck geraten? Sind geschätzte 5000 Menschenleben, die der inszenierte Bürgerkrieg in der Ostukraine bisher gekostet hat, etwa ein Pappenstiel? Ist die Destabilisierung der Ukraine, Moldawiens oder Georgiens legitim, weil diese Länder sich zur EU hin orientieren oder unter dem Dach der Nato Schutz suchen?
Demokratie lässt sich nicht missionieren
Ja, es ist schon richtig, dass sich Demokratie nicht exportieren oder missionieren lässt. Und natürlich ist es richtig, dass die Umwandlung von autokratisch geprägten Gesellschaften in demokratische Gesellschaften einen Prozess der Aufklärung voraussetzt. Anders als in Europa an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit wird sich diese Aufklärung aber nicht mehr aus den Studierstuben der Philosophen heraus Bahn brechen. Sie wird sich durch Bildung und durch die digitale Vernetzung ausbreiten. Die Erkenntnis, dass die arabischen Revolutionen Minderheiten-Aufstände waren, bedeutet ja nicht, dass diese Gruppen nicht weiter anwachsen werden. Es ist kein Zufall, dass Boko Haram, der Name der nigerianischen Terrormiliz, wörtlich übersetzt "Bücher sind Sünde" bedeutet. Und noch ein Blickwinkel: Wer der Autokratie das Wort redet, macht diese auch in Europa hoffähig. In Rumänien, Bulgarien und Ungarn sind längst Kräfte am Werk, die Meinungsfreiheit und Pluralität, demokratische Ordnung und Rechtsstaatlichkeit diskreditieren, die sie aushöhlen und abschaffen wollen. Und in Frankreich, dem Mutterland der bürgerlichen Revolution, geht eine Marine Le Pen mit den gleichen Zielen auf Stimmenfang. Das Streben nach Teilhabe und Selbstbestimmung ist kein Patenrezept zur Lösung von Konflikten. Wenn wir aber diejenigen aufgeben, die für diese Werte eintreten und sich diese Rechte an anderen Orten der Welt erstreiten wollen, geben wir uns selber auf.
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