18.06.2018 23:03:46

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Asylstreit in der Union

Bielefeld (ots) - Dieser Punkt geht klar an den Innenminister. Allein die Sprache verrät es: »Merkel akzeptiert Seehofers Frist« heißt es überall, und das bedeutet nichts anderes als: Angela Merkel ist eine Kanzlerin von CSU-Gnaden. Zumindest für die nächsten 14 Tage. Und was kommt dann? Alles bleibt offen, nichts ist unmöglich. CDU und CSU ist es im letzten Moment noch gelungen, den Totalschaden abzuwenden. Fürs Erste hält die Fraktionsgemeinschaft und damit die Bundesregierung. Die Republik und die Europäische Union atmen einmal tief durch, denn der Weg hierher war schwer genug. Welchen Preis das Ganze haben wird, muss sich erst noch zeigen. Denn wer garantiert, dass die CSU nicht bei nächster Gelegenheit erneut zum Ultimatum greift, um die Dinge in die gewünschte, nämlich eigene Richtung zu lenken? Bis zum 14. Oktober wird sich bestimmt noch das eine oder andere Thema finden lassen, mit dem man im Landtagswahlkampf in Bayern zu punkten können glaubt. Da könnte die Versuchung groß sein, Erpressung zur politischen Methode zu machen. Derweil ist zweierlei völlig unklar: Wie will es Angela Merkel schaffen, bis Ende Juni Abmachungen auf europäischer Ebene oder mindestens bilaterale Abkommen zu schließen, die auch die CSU einen Erfolg nennen muss? Und selbst wenn der Kanzlerin dieser - man ist geneigt zu sagen - letzte große Kraftakt gelänge: Wer glaubt ernsthaft, dass die Schwesterparteien allein damit wieder zur Tagesordnung übergehen könnten - gerade so, als wäre nichts gewesen? Das ist gegen jede menschliche Erfahrung, denn die letzten Tage haben tiefe Spuren hinterlassen. Noch nicht einmal bei der Terminierung ihrer Pressekonferenzen können sich CDU und CSU ja momentan auf ein vernünftiges Verfahren einigen. So kam es auch hier zum absurden Wettstreit zwischen Merkel und Seehofer, zwischen Berlin und der neuen Nebenregierungshauptstadt München. Und während sich der Innenminister eine Spur zu selbstgefällig in der gönnerhaften Pose des Siegers übte, beharrte die Kanzlerin darauf, dass es auch vom 1. Juli an keinerlei Automatismus für Zurückweisungen gebe nach Ende des EU-Gipfels, »falls noch nicht alles in trockenen Tüchern ist«. Würden sie dennoch »in Kraft gesetzt«, so Merkel, »ist das eine Frage der Richtlinienkompetenz«. Die Kanzlerin nährt damit nur den in der CSU weit verbreiteten Verdacht, dass sie so oder so keine Zurückweisungen will. Zugleich hält Merkel es offenbar für notwendig, ihren Innenminister daran zu erinnern, dass sie und nicht er die Regierungsgeschäfte führt. Noch jedenfalls. Oder im Klartext: Angela Merkel droht Horst Seehofer ganz unverhohlen, weil sie sich seiner Loyalität nicht sicher sein kann. Doch wer seine Stärke betonen muss, ist längst schwach. Der Showdown zwischen CDU und CSU mag vertagt sein, abgesagt ist er nicht.

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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261

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