28.11.2017 23:33:56
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ägypten
Bielefeld (ots) - Jeden Tag ein Terroranschlag in Afrika, und nur
die spektakulärsten Fälle schaffen es in die »Tagesschau«: Diese alte
Faustregel unter Afrika-Korrespondenten ist längst überholt. 2016
starben 4781 Menschen bei 1465 Terrorschlägen auf dem schwarzen
Kontinent. In Ägypten kamen jetzt an einem Tag fast so viele
Zivilisten ums Leben, wie das Jahr Tage hat. Die jüngste
Terrorattacke vermutlich durch den IS auf das Freitagsgebet in einer
Moschee auf dem Sinai war der mit Abstand schwerste Anschlag in der
jüngeren Geschichte des Landes. Er ist nur einer von bald 1500 seit
2012. Was ist los in dem 95-Millionen Einwohner-Land, das an Libyen,
Sudan, Israel, Gaza und das Mittelmeer grenzt? Machthaber Abdel
Fattah al-Sisi weiß es nicht. Aus Hilflosigkeit ließ er am Wochenende
Wüstendörfer von Kampfflugzeugen beschießen und verbreitete
Archivbilder von martialischen Kampfhubschraubern aus der jüngsten
US-Lieferung. Eine echte Strategie gegen den Kontrollverlust hat der
Militärdiktator nicht. Im Gegenteil: Sein Geheimdienst war
vorgewarnt, als 30 IS-Milizionäre in Kampfanzügen mit einer Kolonne
aus Geländewagen in Bir al Abd vorfuhren. Sie schickten einen
Selbstmordattentäter in die Moschee, dann feuerten sie ausgiebig auf
die Fliehenden und rückten wieder ab. Ägyptens riesiger
Sicherheitsapparat stand schon im Oktober bis auf die Knochen
blamiert da. Eine bislang unbekannte Gruppe namens Ansar al Islam
griff südwestlich der Hauptstadt Kairo gezielt eine
Anti-Terroreinheit des Innenministeriums an. Dabei starben 16
Spezialkräfte. Nebenbei: Den Journalisten ist es bei Strafe verboten,
andere Opferzahlen zu verbreiten als die offiziellen. Der jüngste
Anschlag auf dem notorisch unsicheren Sinai richtete sich nicht gegen
die schwer geprüfte christliche Minderheit der Kopten oder Vertreter
des Regimes. Erstmals ging es gegen eine besondere Strömung des
sunnitischen Islam. Die Sufi - auch Derwische genannt - vertreten
eine mystische, friedliche und hochgelehrte Interpretation des Koran.
Auch das zeigt, dass die in Syrien unter massivstem Druck stehenden
Steinzeit-Islamisten neue Ziele suchen. Mit dem Ende des Kalifats im
Nahen Osten muss Afrika noch viel mehr auf der Hut sein als Europa.
Möglicherweise werden wir bald das einst blühende Land am Nil wie
Libyen zu den zerfallenden Staaten Afrikas rechnen. Denn nicht allein
im militärischen Sperrgebiet Nordsinai bilden sich militante
Paralellstrukturen, in denen kriminelle Machenschaften,
Menschenschmuggel, Waffenhandel und extremistische Ideologie eine
Symbiose eingehen. Das Prädikat Dschihad dient mitunter nur noch zur
Rekrutierung von jungen Selbstmordattentätern. Die entscheidenden
Terrorpaten bleiben im Hintergrund.
OTS: Westfalen-Blatt newsroom: http://www.presseportal.de/nr/66306 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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