03.12.2015 17:02:12

UPDATE2/EZB lockert ihre Geldpolitik nur maßvoll

   --Einlagensatz sinkt um 10 Basispunkte

   --Anleihekäufe unverändert bei 60 Milliarden Euro

   --Ankaufprogramm läuft bis mindestens März 2017

   --Liquiditätsversorgung der Banken nach Bedarf zu Festzins bis Ende 2017

   (NEU: Kommentare von Bankvolkswirten)

   Von Hans Bentzien

   FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Geldpolitik nur maßvoll gelockert und damit heftige Finanzmarktreaktionen ausgelöst. Nach einer Senkung des Einlagenzinses um 10 Basispunkte auf minus 0,30 Prozent gab Präsident Mario Draghi bekannt, dass die Zentralbank ihre Anleihekäufe bei monatlich 60 Milliarden Euro belassen wird. Die von Dow Jones Newswires befragten Ökonomen hatten eine Senkung des Einlagenzinses um 10 Basispunkte sowie eine Ausweitung der Ankäufe um 12 Milliarden Euro prognostiziert.

   Zugleich will die EZB das Programm bis mindestens Ende März 2017 verlängern - in jedem Fall aber so lange laufe, bis die Inflation nachhaltig in Richtung des Inflationsziels von knapp 2 Prozent steigt. Bisher hatte das Programm bis mindestens Ende 2016 laufen sollen.

   Die Zinssenkung erfüllte zwar die Erwartung von Volkswirten, aber nicht die an den Finanzmärkten eingepreisten Erwartungen. Zudem wurden die Anleihekäufe nicht ausgeweitet, sondern nur zeitlich verlängert. Draghi begründete die nur maßvolle Lockerung mit dem besseren makroökonomischen Umfeld. "Wir erleben eine anhaltende Erholung - graduell, aber anhaltend", sagte er. Er fügte hinzu: "Außerdem war unsere Politik erfolgreich an der Inflationsfront. Wir haben zum ersten Mal erlebt, dass sich die Korrelation der Messgrößen von Inflationserwartungen und der Ölpreise verringert hat."

   Wenn die EZB nun doch etwas mehr tue, dann nicht, weil sie versagt habe, sondern weil diese Politik so erfolgreich gewesen sei. Draghi kündigte an, dass die EZB künftig auch Papiere von regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften ankaufen wird. Zudem sollen Erträge aus fällig werdenden Wertpapieren reinvestiert werden. Die Praxis, den Banken Liquidität nach Wunsch und zum Festzins zuzuteilen, will die EZB bis Ende 2017 fortführen.

   Die Finanzmarktreaktionen auf das Maßnahmepaket waren deutlich: Der Euro wertete von gut 1,05 auf 1,08 US-Dollar auf, der Dax sank von 11.286 auf 10.951 Punkte und der Bund-Future von 158,50 auf 157,0 Ticks.

   Bankvolkswirte äußerten sich überwiegend überrascht von der Tatsache, dass die EZB eine Enttäuschung der Finanzmärkte riskiert habe. "Im Kern der heutigen Aussagen ist die EZB mit der Lockerung der Geldpolitik hinter den sehr hohen Markterwartungen zurückgeblieben", schrieb Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Daniel Folkerts-Landau in einem Kommentar. Trotz der Enttäuschung der Märkte bleibe aber die Tatsache, dass die EZB ihre Geldpolitik weiter gelockert habe.

   Die Deutsche Bank hatte im Vorfeld der Ratssitzung nicht nur eine Senkung des Einlagenzinses, sondern sogar eine Reduzierung des Hauptrefinanzierungssatzes von plus 0,05 auf minus 0,05 Prozent prognostiziert.

   ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski scherzte: "Santa Mario hat sich nicht in das Weihnachtsmonster Grinch verwandelt, aber trotzdem ließ der vorgezogene Heiligabend viele enttäuschte Marktteilnehmer wie Kinder zurück, die weniger und kleinere Geschenke als erhofft bekommen haben." Allerdings hatte auch die ING eine Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes auf null erwartet. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe EZB-Präsident Draghi die Erwartungen der Märkte enttäuscht, konstatierte Brzeski.

   Alexander Krüger, der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, hält die nur maßvolle geldpolitische Lockerung aber noch nicht für das Vorzeichen einer geldpolitischen Wende. "Ich glaube nach wie vor, dass die EZB, so wie sie jetzt auf dem Gaspedal steht, noch eine Weile stehen bleiben wird. Es ist wahrscheinlicher, dass sie ihre Politik im Fall der Fälle weiter lockert, als dass sie sie strafft", sagte er.

   Draghi stellte denn auch weitere Maßnahmen in Aussicht, wofür das Anleihekaufprogramm ausreichend Spielraum biete. "Wir werden das immer wieder tun, wenn externe Entwicklungen unsere Erfolge gefährden sollten", sagte er. Dazu passte auch seine Aussage, dass die Risiken für den Inflationsausblick weiterhin abwärts gerichtet seien.

   Die volkswirtschaftlichen Stäbe der EZB und der anderen Zentralbanken der Eurozone zeigen, dass sich die EZB nochmal auf eine etwas niedrigere Inflation einstellen muss - allerdings bei etwas höheren Wachstumserwartungen. Sie prognostizieren, dass die Inflation bis 2017 nur auf einen Jahresdurchschnitt von 1,6 Prozent steigen wird.

   Das ist noch weiter als im September von den angestrebten knapp 2 Prozent entfernt, als der EZB-Stab 1,7 Prozent prognostizierte. Allerdings wäre angesichts des erneut gesunkenen Ölpreises eine deutlichere Senkung durchaus denkbar gewesen. Das lässt eine abermalige Senkung nebst geldpolitischer Reaktion als durchaus möglich erscheinen. Die Inflationsprognosen für 2015 und 2016 gaben die Ökonomen mit 0,1 (bisher: 0,1) Prozent und 1,0 (1,1) Prozent an.

   Zugleich rechnen die Volkswirte der Zentralbanken damit, dass die Wirtschaft des Euroraums im laufenden Jahr um 1,5 (bisher: 1,4) Prozent wachsen wird und im nächsten Jahr um 1,7 (1,7) Prozent. Für 2017 werden 1,9 (1,8) Prozent Wirtschaftswachstum erwartet.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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   December 03, 2015 10:30 ET (15:30 GMT)

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