"Ausmaß nicht absehbar" |
12.05.2020 17:39:03
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thyssen-Aktie bricht ein: thyssenkrupp befürchtet Milliardenverlust im dritten Quartal
"Das ganze Ausmaß der Krise für unsere Geschäfte ist nicht vollständig absehbar", sagte Vorstandschefin Martina Merz. "Aber bereits jetzt wird deutlich, dass die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen sehr tiefe Spuren hinterlassen werden."
thyssenkrupp steckt in der wohl tiefsten Krise ihrer Geschichte. Der Konzern will bis Ende September sein hochprofitables und krisensicheres Aufzugsgeschäft für 17,2 Milliarden Euro an eine Gruppe von Finanzinvestoren verkaufen, um die drückenden Schulden zu senken und dringend erforderliche Mittel für die Sanierung und den Umbau der restlichen Geschäfte freizuschaufeln. Die genauen Planungen dafür will Merz in der nächsten Woche dem Aufsichtsrat vorlegen.
Überkapazitäten beim Stahl und die schwache Autokonjunktur drückten schon im vergangenen Jahr das Ergebnis, zuletzt kam noch das Coronavirus und seine Folgen hinzu. thyssenkrupp verbuchte im Zeitraum Januar bis März im fortgeführten Geschäft bei 6 Prozent weniger Umsatz einen bereinigten operativer Verlust von 266 Millionen Euro - nach einem Plus von 40 Millionen im Vorjahr. Im Geschäft mit Autokomponenten und im Stahlgeschäft fielen hohe Verluste an, auch im Werkstoffhandel brach das Ergebnis ein.
Selbst im Aufzugsgeschäft lief es nicht so gut, weshalb auch auf Konzernebene ein bereinigter operativer Verlust von 80 Millionen anfiel. Analysten hatten laut einem von Vara Resarch zusammengestellten Konsens mit minus 89 Millionen Euro gerechnet. Hohe Kosten für die Konzern-Restrukturierung und im Zusammenhang mit dem Verkauf der Aufzugssparte drückten das Nettoergebnis tief ins Minus: Nach Anteilen Dritter stand hier ein Verlust von 948 Millionen Euro. Das Eigenkapital sank wegen des Verlustes um weitere 760 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro.
Auch der Mittelabfluss setzte sich im zweiten Quartal fort. Mit minus 209 Millionen Euro fiel der Free Cashflow vor Übernahmen und Fusionen aber um mehr als die Hälfte geringer aus als von Analysten befürchtet. Die freie Liquidität bezifferte thyssenkrupp per Ende März mit 4,5 Milliarden Euro. Am vergangenen Freitag sicherte sich thyssenkrupp bei der bundeseigenen KfW und anderen Banken eine weitere Kreditlinie über 1 Milliarde Euro.
Für das zweite Halbjahr rechnet thyssenkrupp in ihrem fortgeführten Geschäft - also ohne das Aufzugsgeschäft - mit einem deutlichen Umsatzrückgang und einem klaren operativen Verlust noch vor Restrukturierungskosten. Eine genaue Prognose gibt es nicht, sie hatte der Konzern bereits im März wegen der Corona-Krise kassiert.
thyssenkrupp-Finanzchef sieht Liquidität als gesichert an
Mit dem KfW-Kredit über 1 Milliarde Euro ist die Liquidität von thyssenkrupp nach Einschätzung von Finanzvorstand Klaus Keysberg auch bei negativen Entwicklungsszenarien in der Coronavirus-Krise über die nächsten Monate hinweg gesichert. Der Überbrückungskredit habe eine Laufzeit bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Geld aus dem Verkauf der Aufzugssparte Elevator fließt, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Am vergangenen Freitag war der Kfw-Kredit unterzeichnet worden, laut Keysberg zu einem marktüblichen Zins. Inklusive der freien Liquidität von 4,5 Milliarden Euro per Ende März sei thyssenkrupp damit auch für den unwahrscheinlichen Fall gerüstet, dass Kunden ihre Lieferungen als Folge der Krise nicht bezahlen könnten, sagte Keysberg. Solche Szenarien habe man durchgespielt. Ausreichend Liquidität sei in dieser Zeit "ein wirklich hohes Gut". "Wir fühlen uns bei dem Thema nun wohl."
Fire-Sales von Geschäftsbereichen seien nicht erforderlich, weil das Geld nicht auszugehen drohe. thyssenkrupp könne sich deshalb jetzt voll auf die Restrukturierung und eine verbesserte Performance in den einzelnen Geschäftsbereichen konzentrieren, so Keysberg.
Der Konzern hat einige Aktivitäten zum Verkauf gestellt, darunter auch den Anlagenbau (Plant Technology). Laut Keysberg liegen bereits von einigen Interessenten indikative Angebote vor. Es gebe auch gute Gespräche. Allerdings sei es in der aktuellen Situation sehr schwierig, einen Vertrag zu schließen. Alles stehe bei den potenziellen Käufern unter Corona-Vorbehalt. Gleichwohl treibe man die Verhandlungen mit Druck voran.
Zweifel am Zustandekommen des im Februar vereinbarten Verkaufs der Elevator-Sparte für 17,2 Milliarden Euro an ein Konsortium aus Finanzinvestoren hegt der Konzernvorstand nicht. Die Finanzierung der Käufer sei bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gesichert gewesen, so Keysberg. Bis spätestens Ende September erwartet thyssenkrupp den Eingang des Geldes. Von den für das Closing erforderlichen 13 behördlichen Genehmigungen liegen acht bereits vor, darunter jene aus den USA, Kanada und China. Bei der EU-Kommission sei die Transaktion jetzt auch angemeldet worden.
In der nächsten Woche will Konzernchefin Martina Merz über die Zukunftsstrategie für thyssenkrupp informieren, die sie mit dem Vorstand nach einer Bestandsaufnahme im vergangenen Jahr entwickelt hat. Dabei wird es auch darum geben, wie der Erlös aus dem Elevator-Verkauf eingesetzt wird, um den Konzern zukunftsfähig zu machen. Die Strategie für das Stahlgeschäft ist bereits vorgestellt und mit der Arbeitnehmerseite tarifvertraglich fixiert worden.
Die Aktien von thyssenkrupp geraten am Dienstag im XETRA-Handel kräftig unter Druck und rutschten letztlich um 15,31 Prozent auf 4,11 Euro ab.
Die Bilanz des Konzerns habe sich weiter verschlechtert, schrieb Analyst Christian Obst von der Baader Bank. Die gestiegene Nettoverschuldung und das weiter gesunkene Eigenkapital verdeutlichten die Bedeutung des angepeilten milliardenschweren Verkaufs des Aufzugsgeschäfts.
Dow Jones Newswires und dpa-AFX
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