22.02.2024 19:25:38

ROUNDUP 2/Baerbock: G20 kann und muss Reformmotor in der UN sein

(Neu: Abschlusserklärung Brasilien)

RIO DE JANEIRO (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock sieht die G20-Runde führender und aufstrebender Wirtschaftsmächte als wichtigen Reformmotor innerhalb internationaler Institutionen wie den Vereinten Nationen. "Wenn wir die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen wollen, dürfen unsere multilateralen Institutionen nicht im vergangenen Jahrhundert stecken bleiben", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in einer Debatte der G20-Außenminister über Reformen der internationalen politischen Organisationen und der internationalen Finanzstruktur. "Ich glaube, dass die G20 in diesem Reformprozess eine entscheidende Rolle spielen kann und muss."

Die G20-Runde spiegele "die geopolitische Vielfalt der heutigen Welt ziemlich gut wider", sagte Baerbock. Das mache die Arbeit in dem Format zwar manchmal zu einer Herausforderung. "Aber wenn wir Gemeinsamkeiten untereinander erkennen, können wir ein Motor für Veränderungen sein, auch in Foren wie den Vereinten Nationen", fügte die Bundesaußenministerin hinzu.

Baerbock stellt sich gegen Kritiker des G20-Formats

Baerbock stellte sich damit auch gegen Kritiker, die das G20-Format angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für überholt halten. Der G20 gehören neben Deutschland, Frankreich und den USA unter anderem auch Russland und China an. Die Gruppe steht für etwa 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft und 60 Prozent der Weltbevölkerung. Aktuell hat Brasilien den Vorsitz. Das Format war ursprünglich vor allem als wirtschaftspolitische Plattform gegründet worden. Mittlerweile werden die Diskussionen allerdings von den globalen Krisen und den Kriegen in der Ukraine und in Nahost überlagert.

G20-Außenminister sprechen sich für Reform internationaler Organisationen aus

Nach Angaben der brasilianischen Gastgeber herrschte bei dem Außenministertreffen in Rio weitgehend Einigkeit über den Reformbedarf der internationalen Foren. "Alle waren sich einig, dass die wichtigsten multilateralen Institutionen wie die UN, die Welthandelsorganisation, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds reformiert werden müssen, um den Herausforderungen der heutigen Welt gerecht zu werden", sagte der brasilianische Außenminister Mauro Vieira zum Abschluss des Treffens. Er plädierte für die Aufnahme neuer ständiger und nicht-ständiger Mitglieder in den Weltsicherheitsrat, insbesondere aus Lateinamerika und der Karibik sowie aus Afrika. "Was die multilateralen Entwicklungsbanken und den Internationalen Währungsfonds anbelangt, so herrschte ebenfalls große Einigkeit über die Notwendigkeit, den ärmsten Ländern den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern und die Vertretung der Entwicklungsländer in den Führungsgremien zu verbessern", sagte Vieira.

Reformdebatte als Konsequenz aus Blockade durch Russland

Die Debatte über Reformen der internationalen Organisationen ist unter anderem vor dem Hintergrund der Blockade durch Russland im UN-Sicherheitsrat seit dem Angriff auf die Ukraine zu sehen. Es wird überlegt, wie man internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen wieder schlagkräftiger machen kann. Die Diskussion über die internationalen Finanzstrukturen stehen auch im Zusammenhang mit dem immer aggressiveren Auftreten Chinas etwa in Afrika oder im Indopazifik. Peking wird im Westen vorgehalten, Staaten mit Krediten abhängig machen zu wollen, während westliche Demokratien bei entsprechenden Angeboten mit langwierigen Entscheidungsprozessen oft nicht mithalten können.

"Zukunftspakt" auf UN-Ebene in Arbeit

Baerbock rief die G20-Mitglieder auf, sich am "Zukunftspakt" zu beteiligten, an dem UN-Mitgliedsstaaten in New York unter Führung von Deutschland und Namibia arbeiten. Ziel sei es, konkrete Schritte für eine Reform des Sicherheitsrates, eine neu belebte Generalversammlung und eine Reform der internationalen Finanzarchitektur zu erarbeiten. "Der Pakt hat das Potenzial, den Multilateralismus voranzutreiben", sagte die Bundesaußenministerin. Geld zähle - insbesondere wenn man die Auswirkungen der Klimakrise bekämpfen und den wirtschaftlichen Wandel beschleunigen wolle.

Alle Länder wollten von der Energiewende profitieren, aber vielen fehle das Geld dafür, sagte Baerbock. Je länger es dauere, die Emissionen zu senken, desto mehr würden die Kosten für die Anpassung an die Klimakrise steigen, besonders für die Schwächsten. Deshalb habe Deutschland an der Spitze der Reform der Weltbank gestanden, um eine "bessere und größere Bank" aufzubauen, die in der Lage sei, zentrale Herausforderungen wie die Klimakrise oder Pandemien zu bewältigen.

Baerbock an G20: Kopf nicht in den Sand stecken

Wenn man auf die vergangenen Monate zurückblicke, könnten die weltweiten Krisen und Konflikte überwältigend wirken, räumte Baerbock ein. Zugleich appellierte sie an die G20-Partner: "Wir können uns dazu entschließen, resigniert den Kopf in den Sand zu stecken. Oder wir können versuchen, gemeinsam voranzukommen, indem wir nach konkreten, pragmatischen Schritten suchen, die uns voranbringen."

Lulas Ziel: Umbau des internationalen Systems

Ein Umbau des internationalen Systems gehört auch zu den erklärten Zielen der brasilianischen G20-Präsidentschaft. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte zuletzt den UN-Sicherheitsrat als unglaubwürdig kritisiert und den internationalen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vorgeworfen, sich zu stark in die inneren Angelegenheiten der Gläubigerländer einzumischen. Lula versteht Brasilien als Sprachrohr des Globalen Südens und will den Schwellenländern mehr Gehör verschaffen.

Baerbock reist zur UN - Zweiter Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine

Am Donnerstagnachmittag reiste die Bundesaußenministerin nach New York weiter. Dort waren an diesem Freitag zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar mehrere Veranstaltungen geplant. Baerbock wollte in Sitzungen der Generalversammlung und des Weltsicherheitsrats das Wort ergreifen. Auch ein Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres war geplant./bk/DP/mis

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