23.09.2021 20:30:38

OTS: Börsen-Zeitung / Spiel auf Zeit, Kommentar zur US-Notenbank von Mark Schrörs

Spiel auf Zeit, Kommentar zur US-Notenbank von Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - US-Notenbankchef Jerome Powell hat einen baldigen Start für

die Drosselung der billionenschweren Anleihekäufe und ein mögliches Ende der

Käufe bereits Mitte 2022 avisiert - das viel zitierte Tapering. Powell wäre aber

nicht Powell und die Fed wäre nicht die Fed, wenn er bzw. sie sich nicht

zugleich eine Reihe Hintertürchen offenließen. Das ist zwar verständlich:

Angesichts einiger Unsicherheiten und Risiken spielt die Fed da auch auf Zeit.

Zugleich muss sie aber aufpassen, dass ihr selbige nicht davonläuft - und sie am

Ende zu einer drastischen Kurswende gezwungen ist.

Groß ist die Unsicherheit nach wie vor über den weiteren Verlauf der

Corona-Pandemie. Zu­gleich bremsen die weltweiten Engpässe bei vielen Rohstoffen

und Vorprodukten auch die US-Wirtschaft­. Und die Schuldenkrise bei Chinas

Immobilienkonzern Evergrande und der Streit über das US-Schuldenlimit lasten auf

den US- wie den weltweiten Finanzmärkten. Andererseits scheint die jüngste

Infektionswelle die US-Wirtschaft bislang viel weniger zu dämpfen als frühere

Wellen. Zudem zeichnet sich in den USA für 2021 trotz aller Engpässe weiter ein

an­sehnliches Wachstum von bis zu 6 Prozent ab - und in den Folgejahren sogar

mehr Wachstum als bislang erwartet. Und die Hoffnung ist berechtigt, dass Peking

bei Evergrande zumindest einen "Lehman-Moment" verhindert und sich in den USA

Demokraten und Republikaner zusammenraufen. Für Schwarzmalerei besteht also

derzeit wahrlich kein Anlass.

Auf der anderen Seite hat sich die Inflation in den USA als sehr viel

hartnäckiger erwiesen als lange Zeit gedacht - und auch von der Fed

prognostiziert. Der Höhepunkt bei der Teuerung scheint zwar im Sommer erreicht

worden zu sein. Aber selbst die Fed geht nun davon aus, dass die Teuerung bis

ins Jahr 2024 hinein oberhalb des 2-Prozent-Ziels verharrt. Die neue Strategie

der Fed impliziert zwar eine größere Toleranz gegenüber höherer Inflation. Die

US-Währungshüter dürfen es aber nicht übertreiben und überhaupt nicht erst

riskieren, die Kontrolle über die Inflationserwartungen zu verlieren. Die 1970er

Jahre sollten da Lehre genug sein.

Wenn sich die US-Wirtschaft wie erwartet entwickelt und böse­ Überraschungen

ausbleiben, tut die Fed gut daran, noch dieses Jahr mit der Drosselung der in

der Coronakrise beschlossenen Anleihekäufe zu beginnen. Perspektivisch geht es

dann auch darum, die Nullzinspolitik zu beenden. Das muss ohne Frage

schrittweise geschehen. Aber das heißt auch, nicht zu spät zu beginnen. Sonst

drohen bei einer abrupten Wende erst recht Turbulenzen.

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