27.04.2015 20:50:40

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Börsen-Zeitung: Rendezvous mit der Realität, Kommentar zur Deutschen

Bank von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots) - Willkommen in der Wirklichkeit! Getrieben von

der kapitalfressenden Regulierung, der auf dem Einlagengeschäft

lastenden Abschaffung der Zinsen, von der Digitalisierung und nicht

zuletzt von der viele Milliarden Euro verschlingenden Aufarbeitung

diverser Finanzskandale macht sich die Deutsche Bank auf zu einem

Rendezvous mit der Realität. Mit seiner "Strategie 2020", die

einschneidend, aber nicht radikal daherkommt, liegt der

Branchenprimus teilweise sogar - das verdient Anerkennung - "vor der

Kurve".

Eine Verbesserung der Verschuldungsquote auf mindestens 5% kann

angesichts der heutigen 3,4% als sportliche Vorgabe gelten, die nicht

nur immer gerade das Minimum dessen nachvollzieht, was die Aufsicht

verlangt. Auch die Reduzierung des bisher weit verfehlten

Renditeziels von mehr als 12% nach Steuern auf über 10% auf das -

Achtung, neue Definition! - "materielle" Eigenkapital bedeutet eine

Annäherung an die neue Regulierungswelt, in der das Geldverdienen für

Banken nicht leichter wird. Und der Abbau von bis zu 200 der gut 700

blauen Filialen ist ein ebensolcher Schritt mit Blick auf

Digitalisierung und das dramatisch veränderte Kundenverhalten.

Ein Ziel der Regulierung ist ja, endlich das bis dato ungelöste

Too-big-to-fail-Problem besser in den Griff zu bekommen. Dem kommt

der Geldkonzern entgegen mit dem deutlichen Zurückschneiden seines

Investment Banking und dem hauseigenen "Trennbankenmodell" - Abstoßen

der Postbank samt Kapitalerhöhung durch die Hintertür via erneute

Börsenplatzierung der Tochter. Die neue Deutsche Bank wird immerhin

etwas kleiner, weniger komplex und risikoexponiert und auch ein wenig

bescheidener sein als der Finanzkoloss, dessen Bilanz im ersten

Quartal, teils wechselkursbedingt, sogar einen Wachstumssprung um 14%

auf annähernd 2 Bill. Euro erfuhr. Nebenbei: Dieses Plus ist in

absoluten Zahlen nahezu das Doppelte dessen, was die Bank durch die

Neupositionierung ihres Investment Banking netto an Exposure abbauen

will.

Raus aus den Kartoffeln

Soweit das Institut mit der neuen Strategie weitere Veränderungen

des regulatorischen Umfelds antizipiert, trifft das Argument der

Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen und Anshu Jain sicher zu,

dass sich die Welt während der Finanzkrise, an deren Vorabend die

Postbank erworben worden sei, nun mal komplett verändert habe.

Dennoch mutet man mit dem seit vielen Jahren praktizierten "Rein in

die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" allen Stakeholdern

namentlich am Beispiel des Retail Banking eine Menge zu. War nicht

noch vor wenigen Monaten das Hohelied der weit vorangeschrittenen

Integration von Deutscher Bank und Postbank zum blau-gelben

"Powerhouse" für 28 Millionen Privatkunden geschmettert worden? Ab

sofort wird das mühsam und für viel Geld zusammengeführte Gebilde

sicher nicht weniger mühsam wieder entflochten. Etwas mehr

Kontinuität - Strategie hat ja etwas mit Langfristigkeit zu tun - und

weniger offenkundige Umsetzungsdefizite täten not. Gerade im erst

1959 gestarteten Mengengeschäft fällt die Bank durch eine ungute

Tradition der Strategiewechsel auf, seit damals bei der Einführung

des privaten Kleinkredits "der Mob" die Schalter stürmte und eine

Zweigstelle bei der Zentrale anfragte, ob sie schließen dürfe.

Beschämend genug

Dass es jenseits unbestreitbarer Fortschritte etwa in puncto

Kapitalausstattung an der Umsetzung hapert und wichtige Klassenziele

nicht erreicht wurden, räumt das Führungsduo gerade mit Blick auf die

Kosten unumwunden ein; um "hausgemachte Rückschläge" wird nicht

herumgeredet; das Bedauern der von Aufsehern gebrandmarkten

mangelhaften Kooperation bei der Aufarbeitung des Skandals um

manipulierte Interbankzinssätze klingt aufrichtig. Dass der Vorstand

den Tadel der Behörden akzeptiert und sich veranlasst sieht, interne

Veränderungen in die Wege zu leiten, ist für eine Adresse mit dem

Selbstverständnis dieser Bank, die sich den Kulturwandel auf die

Fahnen geschrieben hat, beschämend genug. Personelle Konsequenzen? Da

geht noch was

Manches an der "Strategie 2020" wirkt dick aufgetragen. Seit der

Jahrtausendwende wurden 500 blaue Filialen geschlossen, ohne viele

Worte darüber zu verlieren. Da erscheint die Aufgabe 200 weiterer

Standorte ziemlich inszeniert. Oder die Optimierung der geografischen

Aufstellung, zu der der Vorstand Details bisher ebenso schuldig

bleibt wie jede Aussage dazu, was aus der Beteiligung an der

chinesischen Hua Xia Bank werden soll, oder eine Angabe dazu, wie

viele Stellen das neue Sparprogramm kosten wird. 10000? 20000?

Irgendwo zwischen beiden Zahlen kommt man raus, wenn man die

kommunizierten 15% der Kostenbasis auf die Belegschaftsstärke

bezieht.

Ist eine gelegentliche Überprüfung der regionalen Präsenz nicht

Tagesgeschäft eines Vorstands und weniger Element einer immerhin auf

fünf Jahre angelegten Strategie? Und muss es nicht überraschen, dass

die Bank erst jetzt systematisch Kundenbeziehungen kappen will, die

nur für die Kunden vorteilhaft sind, nicht für die Bank? Anderes

kommt einem einerseits merkwürdig vertraut und andererseits

verdächtig bescheiden vor: Etwa die bis zu 1 Mrd. Euro, die die Bank

binnen fünf Jahren zusätzlich in die "digitale Revolution"

investieren will. Erinnern Sie sich? "Global E" hieß die Initiative,

für die Fitschens und Jains Vorvorgänger Rolf Breuer vom Jahr 2000 an

1 Mrd. Euro jährlich in die Hand nehmen wollte, um das Potenzial der

"digitalen Ökonomie" zu heben. Heute treffen sich Fitschen, Breuer

und andere in München. Da können sie sich in einer Verhandlungspause

auch noch mal über die Strategie austauschen.

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