17.11.2017 20:50:40
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Börsen-Zeitung: Klimawandel im Gang, Marktkommentar von Dietegen
Müller
Frankfurt (ots) - Am Freitag ist in Bonn die 23.
Uno-Klimakonferenz zu Ende gegangen. 25 Staaten haben in deren Rahmen
den Ausstieg aus der Kohle bekannt gegeben. Bis zur nächsten
Weltklimakonferenz in Kattowitz 2018 sollen es dann rund 50 Länder
sein. Dabei geht es auch um den Ausstieg aus der Kohleverstromung.
Deutschland, wo Kohlekraftwerke bisher einen wesentlichen Teil der
Stromversorgung sicherstellen, gehört der Allianz nicht an. Doch am
Kapitalmarkt - auch am deutschen - hat längst ein Klimawandel unter
Investoren und Kreditgebern eingesetzt, der nicht mehr rückgängig zu
machen sein wird.
Angesichts steigender weltweiter Durchschnittstemperaturen und
eines höheren CO2-Niveaus - 2017 soll der globale Ausstoß mit 37 Mrd.
Tonnen 2% höher liegen als 2016 - erscheint immer mehr Anlegern eine
radikale Senkung der Treibhausgasemissionen angebracht. Unternehmen,
die einen hohen CO2-Anteil ausstoßen, werden stärker gemieden. Nach
den Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten
Nationen (PRI) werden inzwischen rund 50 Bill. Dollar an Anlagen
verwaltet - wobei im Markt Kritik zu hören ist, dass dieser Standard
nicht besonders aussagekräftig hinsichtlich der Qualität der Anlagen
ist.
Regulatorischer Druck
Derzeit steht besonders die Kohlebranche unter Druck.
Ratingagenturen wie Moody's identifizieren für globale regulierte
Energieversorger politisch und regulatorisch bedingte Kreditrisiken.
Die Task Force on Climate -related Financial Disclosures (TCFD), die
auf Ebene der G20 arbeitet, möchte freiwillige, einheitliche
Standards durchsetzen, mit denen Unternehmen ihre Klimarisiken
ausweisen sollen. Frankreich schreibt für institutionelle Investoren
den Ausweis ihres Kohlenstoff-Fußabdrucks vor, und der
niederländische Regulator möchte, dass Pensionsfonds zur "Transition"
in eine "kohlenstoffneutrale Gesellschaft" beitragen. Die
EU-Kommission befragt gerade Fondshäuser und Investoren dazu, ob sie
in ihren Anlagen Klima- und Umweltschutzkriterien berücksichtigen.
Und eine Expertengruppe der EU-Kommission empfiehlt zudem
einheitliche Standards für grüne Anleihen und will treuhänderische
Pflichten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit definieren.
Auch werden immer mehr private Initiativen publik. In der
vergangenen Woche hat Storebrand, der größte private norwegische
Pensionsfonds, mit rund 68 Mrd. Euro verwaltetem Vermögen, erklärt,
nicht mehr in kohlenahe Unternehmen zu investieren. Davon betroffen
sind auch die deutschen Versorger RWE und Uniper, was deren Kurse
unter Druck gesetzt hat.
Anfang dieses Jahres haben die Kirche von England, der
Pensionsfonds der britischen Umweltbehörde und fünf Assetmanager,
darunter Aviva und Standard Life, eine Initiative gestartet, die
messbar machen soll, wie gut Unternehmen Klimarisiken managen und wie
wirksam sie im Erreichen von Emissionszielen sind. Laut der
Umweltlobbygruppe Unfriend Coal haben zudem seit 2015 15
Versicherungsunternehmen Kohleinvestments über 20 Mrd. Dollar
abgebaut in Portfolios, die insgesamt über rund 4 Bill. Dollar
verwaltetes Vermögen umfassen.
Einige europäische Versicherer wollen in Unternehmen, die
mehrheitlich von Kohle abhängig sind, nicht mehr investieren oder
ihnen keine Versicherungspolicen mehr unterschreiben, wie Axa, Scor
und Zurich. Die Allianz hat in Eigenanlagen Kohleinvestments
ausgeschlossen, hält aber für Dritte daran fest. Munich Re hat
Divestments bei besonders kohlelastigen Unternehmen mitgeteilt. Beide
Konzerne schließen bisher noch keine Versicherungen für
Kohleunternehmen aus. Am Donnerstag machte der von der Norges Bank
gemanagte norwegische Staatsfonds, der rund 1 Bill. Dollar Vermögen
umfasst, auf sich aufmerksam, weil er im Referenzindex für seine
Portfolios keine Öl- und Gastitel mehr berücksichtigen will.
Dabei ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Ein
freiwilliger Klimaverträglichkeitstest der 2°Investing Initiative hat
79 Portfolios von Schweizer Versicherungen und Pensionskassen
daraufhin geprüft, ob ihre Anlageziele das klimapolitische
2-Grad-Ziel erreichen würden. Das Ergebnis fiel laut dem Bundesamt
für Umwelt ernüchternd aus: Die meisten Investitionen würden im
Durchschnitt eher zu einer Erderwärmung zwischen 4 bis 6 Grad führen.
Der Klimawandel im Kapitalmarkt ist also ein schrittweiser Prozess.
Ablesen lässt er sich auch an einer Fülle von Low-Carbon- und
ESG-Indizes. Was früher "Dekarbonisierung" hieß, muss heute bereits
ESG (Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung) sein. Am Ende
zählt jedoch nicht der Begriff, sondern wer welche Konsequenzen für
seine Anlagen zieht. Sie werden preisrelevant sein.
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