17.12.2014 20:16:47
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Börsen-Zeitung: Gefühlte Gerechtigkeit, Kommentar zur Erbschaftssteuer
von Stephan Lorz
Frankfurt (ots) - Steuergerechtigkeit ist zwar ein
erstrebenswertes Ziel. Das wird angesichts der Komplexität unserer
Gesellschaft aber wohl nie erreicht. Für die Politik kommt es in der
Steuerpolitik - neben praktischen Erwägungen - daher immer auch auf
die "gefühlte Gerechtigkeit" an. Letztlich müssen die Bürger
unterschiedliche Steuerbelastungen hinnehmen. Wie schon in früheren
Fällen hat das Bundesverfassungsgericht bei seinem jüngsten Urteil
zur Erbschaftsteuer hier wieder einmal für die notwendige
argumentative Klarheit gesorgt und zugleich ethische Kategorien für
die Steuerpolitik formuliert, die in ihrer Eingängigkeit auch eine
breitere Öffentlichkeit überzeugen können.
Zuallererst - und das sollten die immer noch jammernden, das Ende
des Mittelstands an die Wand malenden Unternehmenslobbyisten einmal
zur Kenntnis nehmen - haben die Richter die notwendige Privilegierung
von Unternehmen bei der Erbschaftsbesteuerung unter Hinweis auf die
Sicherung der Arbeitsplätze explizit anerkannt und dem Gesetzgeber
dabei einen großen Entscheidungsspielraum gelassen. Zugleich werden
für die Sonderstellung der Unternehmenserben aber höhere
Anforderungen als bisher gestellt. Das soll etwa dafür sorgen, dass
der steuerliche Missbrauch gestoppt wird, durch den auch hohe
Privatvermögen in den Genuss der Privilegierung gekommen sind, was in
der Öffentlichkeit vielfach für Missmut gesorgt hat.
Es war den Bürgern zudem nicht mehr vermittelbar, dass für
Unternehmen unter 20 Arbeitsplätzen nicht die gleichen Anforderungen
(Arbeitsplatz- und Lohnsummenerhalt) für die Steuerfreiheit gelten
wie für Betriebe mit mehr Jobs. Und warum die Hochfinanz sich auch
vor dem Fiskus drücken konnte, obwohl sie bei einer Besteuerung weder
in Existenz- noch Liquiditätsnöte geraten würde, erschloss sich
ebenfalls nicht. Die nun geforderte Bedürfnisprüfung ist daher
überfällig.
In einem Sondervotum weisen zwei Verfassungsrichter zudem
richtigerweise darauf hin, dass im Urteil grundsätzliche Erwägungen
mitschwingen: Die Erbschaftsteuer muss auch verhindern, dass Reichtum
durch die Generationenfolge in den Händen weniger kumuliert und
allein aufgrund der Herkunft unverhältnismäßig anwächst. Wie jüngste
Studien internationaler Organisationen und von Ratingagenturen
zeigen, ist dieses Anliegen ökonomisch durchaus gut zu begründen:
Denn wächst die Ungleichheit über ein bestimmtes Maß, schwinden der
Zusammenhalt einer Gesellschaft und das Wirtschaftswachstum.
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