30.07.2007 17:21:00
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Ökonomen sehen auch laxe Risikostandards hinter Subprime-Krise
Der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Axel Nitschke, bemängelte eine in vielen Fällen zu laxe Risikobewertung bei Engagements am Immobilienmarkt. "In den letzten Jahren wurde angesichts des niedrigen Zinsniveaus eine intensive Kreditvergabepolitik forciert, wobei man von dem einen oder anderen Risiko nicht in erforderlichem Ausmaß Kenntnis genommen hat", sagte er am Montag. In einer Phase der Niedrigzinsen sei oft in puncto Risikobewertung keine ausreichende Sensibilität vorhanden.
"Die Usancen verbessern sich angesichts steigender Zinsen schon wieder", betonte Nitschke aber. Dies sei ein positiver Aspekt der Krise. Hier werde noch eine höhere Sensibilität erwartet.
"Wir haben im Muster früherer Aufschwünge immer gesehen, dass die Kreditstandards laxer werden", betonte auch der Ökonom des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Carsten-Patrick Meier. Das IfW sehe eine mögliche Gefahr im größeren Rahmen, nachdem in den vergangenen Jahren zunehmend neue Finanzinstrumente eingeführt worden seien. "Das große Problem ist, dass wir das ganze System noch nicht verstehen", erklärte Meier. "Wir wissen nicht, wo es zur nächsten Krise kommen kann," hob er hervor.
Gernot Nerb vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung führte ebenfalls das unübersichtlicher gewordene Marktumfeld als Problem an. "Dadurch, dass die Forderungen als strukturierte Produkte im Finanzsystem sind, kann man nicht sagen, wo sie lokalisiert sind", betonte Nerb. "Man hätte gar nicht erwartet, dass die IKB als Mittelstandsbank betroffen ist", unterstrich er unter Verweis auf die jüngsten Vorgänge bei der Bank, die wegen der US-Immobilienkrise eine Gewinnwarnung ausgesprochen und für die daraufhin ihre Hauptaktionärin KfW bonitätssichernde Maßnahmen ergriffen hatte.
Torsten Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) erwartet in der Folge der Krise eine "deutlich geringere Liquidität bei Kreditverbriefungen" durch die Banken. "Dies wird jedoch die gesamtwirtschaftliche Kreditvergabe nicht beschränken", zeigte er sich sicher. Auch Schmidt konstatierte eine zu laxe Risikobewertung bei bisherigen Engagements. "Das kann man für die USA noch stärker als für Deutschland sagen", stellte er fest.
Die generellen Auswirkungen der Subprime-Krise auf das US-Wachstum hielten die Volkswirte mehrheitlich jedoch weiterhin für begrenzt. "Die Krise ist ja nicht neu", betonte Nerb. Zwar seien beachtliche Summen betroffen, und "es ist immer wieder mit einem Aufflackern zu rechnen". Jedoch werde das US-Wachstum nicht abbrechen. "Wir rechnen damit, dass sich die US-Konjunktur im zweiten Halbjahr eher kräftigt", betonte Nerb. Außerhalb der Bauwirtschaft sei die Lage recht gut, und vor allem sei die Exportentwicklung endlich erfreulich. "Wir sehen keinen Grund, unsere Erwartung für die USA zurückzunehmen", sagte der ifo-Ökonom.
Ähnlich äußerte sich RWI-Ökonom Schmidt. "Ich sehe keine wirkliche Verschärfung", hob er hervor. Eine Korrektur werde seit langem erwartet, jedoch sehe er keine "Dramatisierung" der Entwicklung. "Es gibt keine Anzeichen, dass sich die gesamtwirtschaftlichen Effekte stärker darstellen als noch vor ein paar Wochen", hob Schmidt hervor. So sei kein Beleg dafür auszumachen, dass die Krise etwa auf den gesamten Bankensektor übergesprungen sei.
DIHK-Chefökonom Nitschke sah ebenfalls "keine Anzeichen", dass die US-Wachstumsentwicklung deutlich leiden könne. "Wir haben keine Informationen, die eine negative Sichtweise stützen," hob er hervor. "Spurlos an den Märkten vorbei gehen wird das nicht", warnte er aber auch.
Mit Blick auf die jüngsten Schwierigkeiten der IKB wegen der Krise im US-Subprime-Segment begrüßte Nitschke eine Sicherungsmaßnahme der staatlichen Förderbank KfW für das Düsseldorfer Finanzinstitut, zeigte sich aber auch kritisch zur allgemeinen Rolle des Staates bei der Bank. "Es ist gut, dass der Staat eingreift, um keine systemischen Risiken am Kapitalmarkt aufkommen zu lassen", hob Nitschke hervor. Er hoffe, dass die Sicherungsmechanismen griffen und kein Risiko für die Finanzinstitute bestehe. "Zu hinterfragen ist jedoch, ob es eines derart starken Anteils des Staates an dieser Mittelstandsbank bedarf," meinte er.
Die IKB Deutsche Industrie Bank AG hatte am Montag eine Gewinnwarnung und den Rücktritt des Vorstandssprechers bekannt gegeben, weil die Refinanzierung des von ihr geführten Conduits "Rhineland Funding" vor dem Hintergrund von Engagements in strukturierten Portfolioinvestments unter anderem aus dem Subprime-Bereich in den USA gefährdet erschien. Die KfW, die rund 38% an der IKB hält, war laut einer Mitteilung in die Liquiditätslinien gegenüber dem "Rhineland Funding" eingetreten. Bundesfinanzministerium und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatten die Unterstützung der KfW für die IKB begrüßt.
-Von Andreas Kißler, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888 4118,
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