18.03.2015 22:33:49

Mehr als 220 Verletzte bei Anti-EZB-Protest in Frankfurt

FRANKFURT (dpa-AFX) - Knapp drei Monate vor dem G7-Gipfel in Bayern sind bei schweren Auseinandersetzungen zwischen Kapitalismuskritikern und der Polizei in Frankfurt am Main mehr als 220 Menschen verletzt worden. Anlass für die Proteste der Blockupy-Bewegung war die offizielle Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die Polizei setzte am Mittwochmorgen Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke gegen Randalierer ein und nahm mindestens 19 Personen fest. Gegen Mittag beruhigte sich die Lage. Am Nachmittag versammelten sich Tausende Menschen zu einer Kundgebung, anschließend startete ein Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die Polizei sprach von rund 17 000 Teilnehmern, die Organisatoren von mehr als 20 000. Der Protestmarsch verlief weitgehend friedlich. Die Polizei bereitete sich aber auf mögliche Einsätze in der Nacht vor.

Politiker und Polizeigewerkschaften reagierten mit Entsetzen auf die Zusammenstöße. Am Donnerstag wollte sich der Bundestag mit den Krawallen befassen. Für die Sicherheitsbehörden könnte der Umgang mit den Protesten eine Art Generalprobe für zu erwartende Aktionen gegen das Treffen der sieben führenden Industrienationen (G7) Anfang Juni im Schloss Elmau sein.

Die Proteste hatten im Umkreis der hermetisch abgeriegelten neuen EZB-Türme begonnen, Stunden vor der eigentlichen Eröffnungsfeier. Schnell schlugen sie in gewaltsame Auseinandersetzungen um. Nach Angaben der Polizei versuchten rund 3000 Demonstranten, das EZB-Gelände zu stürmen, wurden aber von den Beamten gestoppt.

Demonstranten warfen Pflastersteine und Böller gegen Polizisten und Wasserwerfer. Mülltonnen brannten. Der Verkehr kam vor allem im Osten der Stadt zum Erliegen, viele Geschäfte waren geschlossen. Nach Polizei-Angaben wurden auch Streifenwagen angesteckt, ein Polizeirevier angegriffen sowie Feuerwehrwagen und Straßenbahnen mit Steinen beworfen. Insgesamt waren laut Blockupy etwa 6000 Aktivisten unterwegs, darunter 1000, die aus dem Ausland angereist waren.

Der Polizei zufolge wurden bis zum Nachmittag mindestens 94 Polizisten verletzt, die meisten davon durch Reizgas. Das Blockupy-Bündnis verwies auf mehr als 130 Demonstranten, die beim Polizei-Einsatz durch Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke verletzt wurden.

Am Mittwochabend kreiste ein Polizeihubschrauber über der Innenstadt. "Wir verschaffen uns damit eine Lageübersicht", sagte eine Sprecherin. Abends sei zwar zunächst alles friedlich geblieben, viele Aktivisten reisten ab. Doch nach den Sachbeschädigungen und Zusammenstößen müsse man auf alles vorbereitet sein.

Blockupy-Anmelder Ulrich Wilken (Linke), der einen "bunten Protest" angekündigt hatte, zeigte sich "entsetzt und bestürzt" von der Gewalt: "Das ist nicht das, was wir geplant haben". Gleichzeitig äußerte er Verständnis "für die Wut und die Empörung" der Demonstranten. Polizeigewerkschaften und Politiker kritisierten das Verhalten der gewaltbereiten Aktivisten scharf. "Alle, die sich hier missbräuchlich auf Freiheitsrechte berufen, müssen mit der vollen Härte des Rechtsstaats rechnen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sah Gewalt "in einem Ausmaß, wie Frankfurt es noch nicht erlebt hat".

Die EZB ist einer der entscheidenden Akteure bei der Bewältigung der Finanz- und Schulden-Krise, die in vielen Euro-Ländern hohe Jugendarbeitslosigkeit und wirtschaftliche Probleme zur Folge hatte. Blockupy ist ein linkes, banken- und kapitalismuskritisches Bündnis aus mehr als 90 Organisationen. Darunter sind beispielsweise Attac, einige Gewerkschaften, die Partei Die Linke sowie Antifa-Gruppen.

In seiner Rede bei einem kleinen Festakt sagte EZB-Präsident Mario Draghi, als eine zentrale Institution in der Krise sei die EZB in den Fokus der Frustrierten geraten. "Möglicherweise ist dieser Vorwurf nicht fair. Denn unser Handeln zielte genau darauf ab, die wirtschaftlichen Schocks abzufedern."

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte nach den Frankfurter Krawallen an, mögliche Konsequenzen für die Einsatzplanungen beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau prüfen. "Wir werden natürlich auch die Einsatzerfahrungen der Kollegen auswerten, und wir wollen alles dafür tun, um derartige Ausschreitungen rund um den G7-Gipfel von vornherein zu verhindern", sagte er in München./rae/DP/he

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