02.11.2014 14:47:47

Kein Schlingern mehr - Stabilisierungshilfe im Auto wird Pflicht

STUTTGART (dpa-AFX) - Einsteigen, anschnallen. Was heute selbstverständlich ist, musste 1976 per Gesetz eingeführt werden. Damals war die Gurtpflicht noch straffrei. Die Zahl der Verkehrstoten stieg im darauffolgenden Jahr prompt erst einmal an. Erst als 1984 ein Bußgeld eingeführt wurde, zeigte sich ein Effekt. Seitdem sind die tödlichen Unfälle kontinuierlich zurückgegangen. Jetzt hilft der Gesetzgeber erneut nach. In der EU müssen Neuwagen vom 1. November an mit Systemen ausgestattet werden, die unter anderem verhindern, dass das Auto aus der Spur gerät und die den Reifendruck kontrollieren.

Was ändert sich zum 1. November?

Neuwagen, die dann zugelassen werden sollen, müssen eine bestimmte Technik vorweisen. Dazu gehört das elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) und das Reifendruckkontrollsystem (RDKS).

Was sind das für Systeme?

Die Reifendruckkontrolle misst vereinfacht ausgedrückt, den Druck der Reifen und warnt zum Beispiel, wenn eines der Räder Luft verliert. Es gibt entweder Sensoren am Reifen oder indirekte Systeme, die eine Veränderung anhand der Umdrehungen feststellen. Das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) bremst bei schnellen Lenkbewegungen, zum Beispiel in einem Ausweichmanöver, einzelne Räder ab. Damit soll verhindert werden, dass das Fahrzeug ausbricht.

Was verspricht man sich von der Einführung?

"ESP ist nach Gurt und Anti-Blockier-System (ABS) der Lebensretter im Auto", erklärt ein Dekra-Sprecher. Bricht ein Fahrzeug aus, merkt der Fahrer das in der Regel nicht oder zu spät, wenn er die Kontrolle verloren hat. Einer der Hersteller, Bosch, rechnet vor, dass seit der Markteinführung von ESP 1995 europaweit etwa 190 000 Unfälle vermieden und mehr als 6000 Leben gerettet wurden. Die Reifendruckkontrolle verhindert, dass ein Schaden am Reifen nicht bemerkt wird und er unter Umständen bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn platzt.

Muss ich jetzt mein altes Auto umrüsten lassen?

Nein. Die neuen Regelungen gelten nur für Autos, die zum ersten Mal zugelassen werden. Auch bereits zugelassene Autos, die umgemeldet werden, müssen die Systeme nicht vorweisen. Die meisten Neuwagen verfügen übrigens schon seit Jahren über die Technologien. Volkswagen (Volkswagen vz) beispielsweise rüstet seit zwei Jahren alle Neuwagen serienmäßig mit ESP aus. Die Reifendruckkontrolle ist seit Mitte 2014 bei VW-Neuwagen inklusive.

Mit welchen Mehrkosten müssen Autobesitzer rechnen?

Wer sich kürzlich einen Neuwagen mit Reifendrucksensoren angeschafft hat, braucht nun zum Beispiel auch Winterräder mit der neuen Messtechnik. Wer ein Knotrollsystem hat, das ständig Messwerte aus allen Reifen ans Fahrzeug übermittelt - muss neben den Kosten für Felgen und Reifen noch für Anschaffung und Montage der zusätzlichen Sensoren zahlen. Organisationen wie ADAC und TÜV Süd gehen bei einem Radsatz von 250 bis 300 Euro für die Sensoren plus etwa 50 Euro für Einbau und Programmierung in der Werkstatt aus.

Profitieren die Hersteller solcher Systeme?

Kaum, da die meisten Neuwagen bereits über solche Systeme verfügen. Bosch hat beispielsweise seit dem Serienstart 1995 bereits mehr als 100 Millionen ESP-Systeme hergestellt.

Warum führt die EU das ein?

"Diese neuen Vorschriften werden Fahrzeuge viel sicherer machen", sagt der Sprecher der EU-Kommission. "Schlingern ist die Hauptursache für 40 Prozent aller tödlichen Unfälle." Sowohl eine elektronische Stabilitätskontrolle als auch die Reifendruckkontrolle würden helfen, Schlingern zu vermeiden und Leben zu retten.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

In den USA und Kanada ist ESP bereits seit 2011 für Autos vorgeschrieben. Das gleiche gilt für Australien und Israel. In Japan, Korea, Russland und der Türkei sind entsprechende Regelungen geplant.

/ang/DP/he

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