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06.11.2016 14:12:45

EU stellt Türkei in neuem Fortschrittsbericht schlechtes Zeugnis aus

   ISTANBUL (AFP)--Angesichts der Repressionen in der Türkei nach dem vereitelten Militärputsch stellt die EU-Kommission einem Zeitungsbericht zufolge dem Land in ihrem neuen Fortschrittsbericht ein verheerendes Zeugnis aus. Brüssel beklage bei der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz einen "Rückfall", zitierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung aus dem Bericht. Die prokurdische HDP kündigte nach der Verhaftung ihrer Parteispitze einen Boykott des Parlaments in Ankara an.

   "Im Bereich der Meinungsfreiheit hat es im letzten Jahr einen schwerwiegenden Rückfall gegeben", heißt es laut FAS in dem gut hundertseitigen Bericht, der am Mittwoch veröffentlicht werden solle. Die Kommission bemängelt demnach, dass Rechtsbestimmungen über die nationale Sicherheit und zum Kampf gegen Terrorismus "selektiv und willkürlich" angewendet würden. Die türkische Führung geht seit dem Putschversuch Mitte Juli massenhaft mit Verhaftungen und Entlassungen gegen ihre Kritiker vor.

Kommission besorgt wegen Journalisten-Verhaftungen Die Kommission äußert sich zudem "ernsthaft besorgt" über die vielen verhafteten Journalisten und die Schließung von Medien seit Mitte Juli, wie es in dem FAS-Bericht heißt. Die EU-Behörde kritisiert dabei die bis zu 30-tägige Haft, bevor Beschuldigte einem Richter vorgeführt werden und verweist auf Berichte über Folter von Gefangenen.

   Für den gescheiterten Putsch macht Ankara die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen verantwortlich, was dieser zurückweist. In dem Fortschrittsbericht wird nun laut FAS hervorgehoben, dass der Staat nicht nur gegen Einzelne vorgehe, sondern sie wegen angeblicher Gülen-Verbindungen kollektiv unter Verdacht stelle. Die Vagheit der Kriterien und der Anhaltspunkte dafür gebe Anlass zu "sehr ernsten Fragen".

   Die Kommission wollte den Zeitungsbericht auf Anfrage am Sonntag nicht kommentieren. Die Türkei und die EU hatten 2005 offiziell Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen werden aber zunehmend Rufe laut, die Gespräche abzubrechen.

   Zuletzt hatte Ankara mit der Festnahme von neun HDP-Abgeordneten für Empörung gesorgt, darunter die Parteichefs Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag. Europaminister Ömer Celik berief für Montag ein Treffen der Vertreter aller EU-Staaten in Ankara ein, bei der er über die "jüngsten Entwicklungen im Land" berichten will.

   Die oppositionelle HDP sprach am Sonntag von einem "flächendeckenden und dunklen Angriff" und verkündete einen Parlamentsboykott. Fraktion und Parteiführung hätten entschieden, die "Arbeit in den legislativen Organen zu stoppen". Die Abgeordneten würden weder an Parlamentsdebatten noch an Ausschüssen teilnehmen.

   Die HDP ist mit 59 Sitzen drittstärkste Kraft im türkischen Parlament. Den neun inhaftierten Abgeordneten werden Mitgliedschaft in der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und "Terror-Propaganda" angelastet.

Proteste in Köln und Istanbul In Istanbul protestierten am Samstag hunderte Menschen gegen die Festnahme der Kurden-Politiker. In Sprechchören wurde der Staat als "faschistisch" bezeichnet, Demonstranten riefen: "Wir werden nicht schweigen". Die Polizei trieb die Menge mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen auseinander. Auch in Köln protestierten tausende Menschen gegen die türkische Führung, Demonstrationen gab es ferner in Frankreich.

   Unterdessen ordnete ein Istanbuler Gericht am Samstag die Verlängerung der Untersuchungshaft von neun Mitarbeitern der türkischen Oppositionszeitung "Cumhuriyet" an, darunter Chefredakteur Murat Sabuncu. Zwei Kolumnisten wurden aus gesundheitlichen und Altersgründen freigelassen, stehen aber weiter unter Justizkontrolle. Zwei weitere Mitarbeiter kamen ganz frei. Auch den Journalisten waren Verbindungen zur PKK sowie zu Gülen vorgeworfen worden.

   Grünen-Chef Cem Özdemir sagte im Deutschlandfunk, der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan setze auf eine Eskalation der Lage, um seine Macht zu festigen. Die Türkei sei auf dem Weg in eine "islamo-türkische Diktatur". Im "Tagesspiegel" vom Sonntag warnte er indes vor einem vollständigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen. Mögliche Strafen dürften nicht so ausgewählt werden, "dass sie die falschen Leute treffen", sagte Özdemir.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/kla

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   November 06, 2016 07:42 ET (12:42 GMT)- - 07 42 AM EST 11-06-16

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