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02.07.2015 22:57:37

Börsen-Zeitung: Kein Vorbild, Kommentar zur Energiewende von Ulli Gericke

Frankfurt (ots) - Ein neues Kapital in den Geschichtsbüchern werde mit den Eckpunkten für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende aufgeschlagen, ist sich Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sicher. Um in gleicher Tonlage anzufügen, das Ergebnis des Spitzentreffens der Parteichefs von Union und SPD sei ein "historischer Pakt für neuen Wohlstand", der die Ökonomie mit der Ökologie versöhne. Für Menschen, die schlichter denken und nicht vom Atem der Welterkenntnis beseelt sind, ist das beschlossene Sammelsurium aus Stromreserve, KWK-Förderung, Netzausbau und neuen (staatlich geförderten) Gaskraftwerken eher ein sündhaft teures Rumgeflicke an einer hoch subventionierten Energiewende, die längst ein Eigenleben entwickelt hat. Etwa 24 Mrd. Euro jährlich kostet der Umbau der herkömmlichen Stromproduktion in eine CO2-arme Erzeugung Industrie und Bürger schon heute. Mit den jetzigen Beschlüssen werden in den nächsten Jahren gut 10 Mrd. Euro hinzukommen.

Ausgangspunkt ist das Versprechen Berlins, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) bis 2020 um 40% gegenüber 1990 zu senken. Mit dem sukzessiven Aus der Atommeiler nach der Katastrophe in Fukushima geriet dieses Ziel jedoch in Schieflage, muss CO2-freier Atomstrom doch durch CO2-reiche fossile Energien ersetzt werden. Um das 40-Prozent-Ziel dennoch zu erreichen, hat die Koalition der Energiewirtschaft einen Extrasparbeitrag von 22 Millionen Tonnen CO2 verordnet.

Nachdem die vorgeschlagene Klimaabgabe für alte Braunkohlekraftwerke am Widerstand von RWE und Vattenfall, der Gewerkschaft IGBCE sowie den betroffenen SPD-regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg gescheitert war, werden diese Kraftwerke zur Reserve versetzt und dafür entschädigt. Werden alte Heizkessel mit Staatsgeld durch neue ersetzt. Werden Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung auf Kosten der Verbraucher neu gebaut oder auf Gas umgestellt. Und um den sauberen Windstrom aus dem Norden in den industriestarken Süden zu leiten - wo man allerdings keine hässlichen Stromautobahnen mag - werden Kabel unter die Erde verlegt. Netzbetreiber sagen, das koste das Drei- bis Achtfache. Berlin ist sicher, dass Erdkabel maximal doppelt so teuer sind wie Freiluftleitungen. Gedacht war die Energiewende als Vorbild für die Welt, dass der Umstieg in eine CO2-arme Erzeugung möglich ist. Möglich ist er - doch außer dem reichen Deutschland kann sich kein anderes Land dies teure Experiment leisten. Ein Vorbild ist diese Politik nicht.

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Pressekontakt: Börsen-Zeitung Redaktion

Telefon: 069--2732-0 www.boersen-zeitung.de

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