"Zweifel sind angebracht" |
29.04.2019 10:54:00
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Aktionäre entziehen Bayer-Führung das Vertrauen - Aufsichtsrat steht hinter dem Vorstand
Nach einer zwölfstündigen Sitzung bekam der Vorstand bei der Abstimmung am Abend lediglich 44,5 Prozent Ja-Stimmen, aber 55,5 Prozent Nein-Stimmen. Auch der Aufsicht unter Vorsitz von Werner Wenning wurde mit nur 66,4 Prozent entlastet. Im Vorjahr hatte es noch Zustimmungsraten von mehr als 97 Prozent für die beiden Führungsorgane gegeben.
Wenning sagte unmittelbar nach der Abstimmung, dass er das Ergebnis zutiefst bedauere. Der Aufsichtsrat werde sich nach der Sitzung unverzüglich über die Situation beraten. Er hatte den Aktionären vor der Abstimmung versichert, dass der Aufsichtsrat fest hinter Baumann stehe.
Baumann und Wenning sind durch das Misstrauensvotum nun erheblich geschwächt, auch wenn es rechtlich keine Konsequenzen hat. Bei der Deutschen Bank hatten vor vier Jahren die damaligen Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen ihren Rückzug erklärt, kurz nachdem sie bei der Abstimmung über ihre Tätigkeit auf einer Hauptversammlung ein verheerendes Ergebnis eingefahren hatten.
Rücktrittsforderungen für die Bayer-Führung gab es am Freitag allerdings nicht. Dekabank-Fondsmanager Ingo Speich sprach lediglich von einer Warnung, als er ankündigte, er werde die Entlastung verweigern. "Bei der Komplexität des Unternehmens würde Bayer wichtige Zeit verlieren, wenn sich ein neues Management einarbeiten müsste", sagte er.
DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler hatte der Bayer-Führung in der Aussprache gar empfohlen, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat auf die nächste Hauptversammlung zu verschieben, um die Gräben zwischen Konzernführung und Aktionären nicht noch weiter zu vertiefen. Aufsichtsratschef Wenning war dem Vorschlag allerdings nicht gefolgt.
Die Aktionäre lasten Vorstand und Aufsichtsrat an, die Rechtsrisiken zum Unkrautvernichter Glyphosat, den der Konzern mit dem Agrarkonzern Monsanto eingekauft hat, massiv unterschätzt und damit die Zukunft des Unternehmens damit aufs Spiel zu haben. Der Bayer-Kurs ist seit August vergangenen Jahres mehr als 30 Prozent eingebrochen.
Der Konzern sieht sich in den USA einer kontinuierlich wachsenden Zahl von Schadensersatzklagen ausgesetzt: 13.400 Menschen machen das Mittel für ihre Krebserkrankungen verantwortlich. In zwei Fällen ist der Konzern in erster Instanz zu Schadensersatzzahlungen von jeweils rund 80 Milliarden Dollar verurteilt worden. Bayer ist überzeugt, die Prozesse in höheren Instanzen zu gewinnen. Konzernchef Baumann räumte allerdings ein, es könne noch Jahre dauern, bis die Aktionäre Klarheit hätten, wie der Glyphosat-Komplex insgesamt ausgeht.
Schon vor der Hauptversammlung hatte sich angedeutet, dass es für die Konzernführung eng werden könnte. So empfahlen die großen angelsächsischen Aktionärsberater ISS und Glass Lewis ihren Kunden eine Nichtentlastung.
Bayer-Aufsichtsrat spricht dem Vorstand das Vertrauen aus
Der Bayer-Aufsichtsrat hat Konzernschef Werner Baumann und dem gesamten Vorstand nach der Nicht-Entlastung durch die Aktionäre in einer kurzfristig anberaumten Sitzung einstimmig das Vertrauen ausgesprochen. Auch der von Baumann verfolgten Strategie stimmte das Kontrollgremium ausdrücklich zu, wie es in einer Mitteilung von Bayer heißt, die in der Nacht zum Samstag verbreitet wurde.
"Wir nehmen das Abstimmungsergebnis der Hauptversammlung sehr ernst", erklärte Aufsichtsratschef Werner Wenning. "Gleichzeitig steht der Bayer-Aufsichtsrat geschlossen hinter dem Vorstand." Schon am Morgen hatte er Baumann den Rücken gestärkt. Der Empfehlung eines Aktionärsvertreters, die Entlastung angesichts des derzeit nicht absehbaren Ausgangs der Glyphosat-Prozesse zu vertagen, war Wenning nicht gefolgt.
Die Aktionäre hatten am späten Abend mit einer Mehrheit von knapp 56 Prozent gegen eine Entlastung des Vorstandes um Baumann gestimmt; der Aufsichtsrat bekam mit gut 66 Prozent noch das Vertrauen ausgesprochen. Es ist ein einmaliger Vorgang bei einem DAX-Konzern, dass die Aktionäre einem amtierenden Vorstand das Vertrauen entzogen. Obwohl das Votum rechtlich folgenlos ist, wurde Baumanns Position dadurch erheblich geschwächt.
Die Aktionäre lasten Vorstand und Aufsichtsrat an, die Rechtsrisiken zum Unkrautvernichter Glyphosat, den der Konzern mit dem Agrarkonzern Monsanto eingekauft hat, massiv unterschätzt und damit die Zukunft des Unternehmens damit aufs Spiel zu haben. Der Wert des Bayer-Konzerns ist inzwischen auf 57 Milliarden Euro gefallen, das entspricht in etwa dem Kaufpreis der im vergangenen Jahr für Monsanto gezahlt wurde.
Wenning wertete die Nicht-Entlastung als ein deutliches Signal der Aktionäre an den Vorstand, "die Stärken der Bayer AG künftig wieder deutlicher zur Geltung zu bringen" und versprach, Baumann dabei zu unterstützen, "das Vertrauen der Aktionäre und weiterer Stakeholder in das Unternehmen und seine Strategie schnellstmöglich und vollständig wieder zurückzugewinnen".
Vorrangig sei dabei eine "erfolgreiche Verteidigung in den anstehenden Berufungsverfahren und Gerichtsverhandlungen zu Glyphosat" und das Erreichen der operativen Wachstums- und Renditeziele, erklärte er.
BONN/FRANKFURT (Dow Jones)
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